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Ausgerechnet Souffle'!

Ausgerechnet Souffle'!

Titel: Ausgerechnet Souffle'! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Winter
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Vielleicht begreift er, dass mein wilder Blick nur „ich tu bloß so“ bedeutet.
    Sascha Engel ist dreiundzwanzig Jahre alt und studiert Sozialwissenschaften und Politik. Ich freue mich dermaßen über Gesellschaft, dass ich sein Unwohlsein ignoriere und ihm stattdessen erzähle, aus welcher Notlage das Cook & Chill entstand. Unversehens finden wir ein Gesprächsthema und das Eis bricht mit einem feinen, befreienden Klirren. Sein Gesicht bekommt einen entrückten Ausdruck, wenn er von seinen Kochversuchen erzählt. Die Liebe hinter seinen Worten ist unverkennbar. Wie gerne er darüber lernen würde. Eine leise Verbindung entsteht, die ich nicht auszudrücken vermag. Eigentlich sehe ich keinerlei Grund, nett zu ihm zu sein. Trotzdem spricht er irgendetwas in mir an, was mich dazu verleitet, ihn zu mögen. Er wirkt so … verloren. Oh Gott. Sind das etwa Mutterinstinkte?
    „Warum bist du kein Koch geworden?“
    Er zuckt die Schultern.
    Beinahe überhöre ich Glöckchen. Tatsächlich kommen zwei Leute herein. Sie gehen zielstrebig an die Bücherregale, um zu stöbern. Eine ältere Frau wendet sich an mich, als ich aufstehe, um zu fragen, ob ich helfen kann.
    Ihre irritierend grünen Augen mustern mich unverhohlen von unten. Sie reicht mir bis zum Kinn, sodass ich die lichten Stellen in ihrem sehe, und ist so dünn und faltig, dass ich das Knistern von Pergament erwarte, als sie sich bewegt. Ein goldenes Kettchen baumelt an ihrer Sehhilfe, die an ihrer Brust liegt. Ein bisschen erinnert sie mich an die Schildkröte Morla aus der Unendlichen Geschichte, als sie zeitlupenartig den Kopf dreht und sich mürrisch umsieht.
    „Sie bieten Mittagessen an?“
    Ich bejahe beflissen ihre ungeduldige Frage. Sie zeigt anklagend auf das aufgeschlagene Kochbuch im Ständer. Ich nicke noch einmal. Fast komme ich mir vor, als sei ich in einem Verhör.
    „Gerade frisch zubereitet.“
    „Davon gehe ich aus.“
    Oh weia. Sie stellt ihre Handtasche auf einen freien Stuhl und nimmt Platz. Streicht ihren gemusterten Tweedrock sorgfältig glatt und knöpft den oberen Knopf ihres Strickjäckchens zu. Cashmere. Unwillkürlich gebe ich der Schildkröte einen Adelstitel. Die alte Dame neigt das Haupt zur Seite und schließt kurz die Augen, als wäre ihr nicht gut. Nervös klaube ich einen imaginären Fussel von meiner Schürze und fange Hilfestellung von Sascha auf. Er weist auf seine Hände und lässt sie demonstrativ nach unten hängen. Schnell korrigiere ich meine Haltung.
    „Ich bringe Ihnen eine kleine Portion zum Probieren. Falls Sie es nicht mögen, brauchen Sie nicht zu bezahlen.“
    Ein merkwürdiger Blick trifft mich. Sie zieht ein Buch mit Lesezeichen aus ihrer Tasche. Der Wendekreis des Krebses von Henry Miller. Rückt ihre Brille zurecht und schlägt die Lektüre auf. Ich registriere die schmalen, knochigen Finger mit der fleckigen Haut und den Siegelring.
    „Überdenken Sie Ihre Verkaufstaktik. Ich nehme einmal eine große Portion. Und einen trockenen Weißwein Ihrer Wahl. Ich bezahle, auch wenn es fürchterlich schmeckt. Danke.“
    Okay. Das war deutlich und lässt weiter keine Fragen offen. Ich mache mich schleunigst in die Küche. Sascha formt ein heimliches Siegeszeichen.
    Im Laufe des Tages kratze ich den letzten Couscous vom Topfboden. Ich habe acht Mahlzeiten verkauft. Und zwei verschenkt. Eine an den Obdachlosen und eine an Sascha. Den ganzen Mittag kümmerte er sich zum Zeitvertreib, während ich in der Küche wuselte, um die Kunden. Er brachte tatsächlich drei teure Kochbücher an den Mann und räumte nebenbei Tische ab. Die Henry-Miller-Frau aß ihren Teller leer. Bezahlte unter Enthaltung jeglichen Kommentars und ging ohne Gruß. Nach einem Espresso und einem Gläschen Mirabellenlikör.
    „Sascha Engel, dich schickt der Himmel.“
    Eine kleine Zigarettenpause auf der Straße. Endlich hört der Regen auf, die Sonne blinzelt schüchtern und angestrengt zwischen den Wolken hindurch. Sascha bläst den Rauch aus und zuckt die Schultern.
    „Mein Studium liegt im Moment auf Eis. Ich habe sowieso nichts zu tun.“
    Mir kommt unvermittelt ein Gedanke, eher gefühls- als verstandesmäßig geleitet.
    „Warum arbeitest du nicht für mich?“
    Sascha zwinkert nervös, nimmt sich Zeit für die Antwort.
    „Du musst mich aber bezahlen.“
    Natürlich. Kurzes Überschlagen meines Budgets.
    „Ich möchte bei dem Kochkurs mitmachen.“
    Überrascht schaue ich ihn an. Das meint er ernst. Viel mehr Worte braucht es nicht. Ich

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