Ausgerechnet Souffle'!
derzeit nicht damit gesegnet. Das hat natürlich nichts mit meinem Nachbarn zu tun, den ich nächtelang observiere. Mir geht lediglich so viel im Kopf rum. Erneut drehe ich am Zündschloss, bis der Motor protestierend quietscht. Autofahren gehört nicht unbedingt zu den Dingen, die ich gerne tue. Darum nehme ich ja normalerweise die Bahn. Was mein Fahrgeschick mangels Übung nicht gerade begünstigt. Der grüne Umschlag auf dem Beifahrersitz verlangt ungeduldig nach Einsicht. Ich blicke in den Seitenspiegel und lenke meinen kleinen Fiesta auf die Straße. Es dauert exakt dreieinhalb Minuten, bis das Fahrzeug vor mir unvermittelt an einer roten Ampel hält. Da ich mit dem Einschreiben in ein Zwiegespräch vertieft bin:
„Öffne mich!“ (das Schreiben).
„Später.“(ich).
„Ich bin total wichtig!“ (das Schreiben).
„Du tust höchstens wichtig.“ (ich).
„Los, jetzt!“ (das Schreiben).
„Mann, du nervst!“ (wieder ich) und erst in letzter Sekunde auf die Bremse trete, warte ich entsetzt auf den unvermeidlichen Aufprall. Der ausbleibt. Mein Auto kommt wenige Zentimeter hinter dem anderen zum Stehen. Seufzend gestehe ich ein, die Meinungsverschiedenheit mit dem lästigen Schrieb verloren zu haben. Mein Kühlschrank steht leider zuhause, sodass ich den Brief nicht versehentlich entsorgen kann. Ich könnte das Kuvert einfach unter den Sitz schieben. Aber da passt nichts mehr rein, weil ich noch immer meinen Müll durch die Gegend kutschiere. Prompt denke ich erneut an meinen Nachbarn. Meine Finger öffnen den Klebestreifen, während vor meinem geistigen Auge F. Sander an seinem Morgenkaffee nippt und sich mit dieser typischen, eigenwilligen Geste in das duschfeuchte Cappuccinohaar fasst.
Der Inhalt des Einschreibens des Anwaltsbüros Dr. Johannes Hennemann und Partner entspricht nicht im Geringsten meiner düsteren Vorahnung. Etwas verwirrt lese ich den notariell beglaubigten Hypothekeneintrag ins Grundbuch meiner Eigentumswohnung. Und schlage entsetzt die Hand vor den Mund. Unter dem Notariatsstempel erkenne ich die schwungvolle Unterschrift meines einstigen Arbeitgebers. Ich bin ein Riesenrindvieh. Nein. Ein Riesenriesenrindvieh. Meine Bank ist auch seine Bank, heißt, die Hausbank der Kanzlei. Das hatte ich völlig verdrängt. Hektisch blättere ich eine Seite weiter. Tatsächlich. Da steht es schwarz auf weiß. Beurkundet von Dr. Johannes Hennemann persönlich. Und ich hatte behauptet, dort bis dato in Brot und Lohn zu stehen.
Keine Ahnung, was dies für mich bedeutet. Hat mein ehemaliger Brötchengeber den Irrtum aufgeklärt? Kann das Geldinstitut den Kredit wegen Vorspiegelung falscher Tatsachen zurückfordern? Hat das strafrechtlich Relevanz? Können die mich aus der Wohnung werfen? Oder schließen die gleich meinen Kochbuchladen?
„Äh, ´tschuldigung, also ich hab mich da ein klitzekleines Bisschen vertan. Ich bin eigentlich arbeitslos und gar nicht so kreditwürdig, wie ich annahm ...“
War´s das jetzt?
Ich lasse die Stirn aufs Lenkrad sinken. Zu allem Überfluss fallen mir auch noch siedend heiß all die unerlaubt angeklebten Plakate ein. Währenddessen fährt der Wagen vor mir an, als der Verkehr weiter fließt. Wie in Trance drehe ich am Zündschlüssel. Es tut sich gar nichts. Nichts. Der Motor gibt keinen Mucks von sich. Der Zeiger der Benzinuhr verharrt unterhalb der roten Markierung und macht keinerlei Anstalten, sich zu erheben. Das darf nicht wahr sein. Der Tank ist leer. Es hupt nachdrücklich erst hinter mir, daraufhin neben mir. Dann irgendwie überall. Die Ampel wird rot. Anschließend Grün. Und wieder rot. Das stehende Männchen zeigt mir eine lange Nase. Zur Bekräftigung meiner desolaten Lage entschließt sich der Himmel just, seine Schleusen zu öffnen. Ein heftiger Regenschauer prasselt auf das Blech nieder. Es quietscht, als ich den Hebel für die Scheibenwischer umlege. Zwischen einem der Wischblätter und der Windschutzscheibe klemmt ein roter Flyer, der mit dem Ampelmännchen auf und ab hüpft. Der Werbezettel kommt mir verdächtig bekannt vor. Jetzt muss ich dann doch lachen. Vermutlich reichlich hysterisch, aber immerhin. Jemand klopft an meine Seitenscheibe.
„Alles in Ordnung?“
Der Mann ist völlig durchnässt. Ich kurbele das Fenster herunter.
„Haben Sie eine Zigarette?“
Er sieht mich an und kneift die Augen zusammen. Schüttelt den Kopf.
„Brauchen Sie sicher keine Hilfe?“
„Sind Sie Anwalt?“
10. Und was ist mit Tee?
„Was soll das
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