Ausgerechnet Souffle'!
angekommen, lege ich mich unglücklicherweise auch noch mit Julius an, der keinen Zweifel an seinem Missfallen betreffend meiner Einkäufe aus dem Großmarkt lässt. Er meckert an allem rum, vornehmlich an dem frischen Obst und Gemüse. Wenn die Qualität stimmt, dann die Größe garantiert nicht. Ist die Frucht stattlich genug, passt ihm die Art nicht. Die richtige Sorte wiederum ist angeblich zu matschig oder wahlweise zu unreif. Das kann er endlos so weiterführen, als läge ihm nur daran, mich zu kritisieren. Entgeistert betrachtet er gerade den Sack Speisesalz mit extra Jodanteil, den ich mitgebracht habe, und schüttelt den Kopf.
„Damit arbeite ich nicht.“
Na toll. Jetzt nörgelt er sogar an stinknormalem Salz rum. Ich bin ebenfalls kurz davor, mit Tellern zu werfen, allerdings in die andere Richtung als in die, in die das Geschirr normalerweise fliegt. Unter Louises wachsamen Blicken verlasse ich schnaubend die Küche und stelle mich an die Kaffeemaschine. Der Raum schwankt ein wenig. Die Milchschaumdüse quietscht durchdringend und eine Fontäne von heißem Dampf schlägt mir ins Gesicht. Prompt spritzt die Milch in dem Chromkännchen nach allen Seiten. Ich schaue auf. Louise ist in ihre Notizen versunken. Heute liest sie „Viel Lärm um nichts“ von Shakespeare. Wie passend. Ich lasse meine Kaffeetasse stehen und schenke mir stattdessen einen großzügigen Schluck Prosecco in ein Longdrinkglas mit üppig Eis ein.
*
Der Mensch begann vor ca. 10.000 Jahren mit dem Anbau von Getreide. Ursprünglich wurden die Körner gemahlen und mit Wasser vermengt als Brei gegessen. Später buk man den Teig auf heißen Steinen oder in Asche als Fladenbrot. Entscheidend veränderte sich das Brotbacken durch den Bau von Backöfen und die Entdeckung der Wirkung von Hefe, als ein solcher Teig versehentlich mittels Hefebestandteilen in der Luft vergoren war und dadurch locker und schmackhaft wurde.
„Es gibt nichts Köstlicheres, als ein frischgebackenes Brot.“
Mit einem Ächzen lasse ich den Mehlsack auf die Steinfliesen fallen. Es staubt leicht an den Nähten und ich klopfe mir die weißen Hände intelligenterweise an meiner dunkelblauen Jeans ab. Meine Kochschüler sehen mich erwartungsvoll an. Ich fasse unauffällig nach einer Stuhllehne, da der Boden unter meinen Füßen irgendwie wackelt. Schuldbewusst denke ich an den Wein und den Prosecco.
„Kostet beim Bäcker zwo fuffzig“, murrt Frank.
Ich kontere mit einem kurzen:
„Ruhe auf den billigen Plätzen!“ und ignoriere ihn in Folge, wie geplant.
Bis jetzt verlor er erstaunlicherweise kein Wort über unsere Begegnung. Zum Glück verschwimmt sein Gesicht regelrecht vor meinen Augen. Ich grinse. Prima Effekt.
„Wer sein Brot eigenhändig bäckt, wird die Erfahrung machen, eines der ursprünglichsten Lebensmittel herzustellen, das viel mehr mit Euch selbst zu tun hat, als ihr glaubt.“
Ich suche in meiner Küche nach einer Schüssel. Julius hat hier alles durcheinander gebracht und mir ist schleierhaft, wonach er die Gerätschaften sortiert.
Mit dem Kopf unter der Spüle doziere ich etwas dumpfer weiter:
„Die Kunst des Brotbackens ist Jahrtausende alt. Ich zeige heute die Grundlagen, und dann …“ Ah. Die blaue Plastikwanne. „... lade ich Euch dazu ein, aus einem Grundnahrungsmittel etwas völlig neues zu erschaffen. Lasst Eurer Fantasie freien Lauf.“
Hups. Beinahe verliere ich das Gleichgewicht. Frank sieht mich lauernd an und ich erwidere seinen Blick mit einem überheblichen Brauenheben. Er formt mit den Lippen lautlose Worte, die ich leider nur allzu gut verstehe. Schöne Frisur. Jetzt verzieht sich sein Mund hämisch. Zählt man langsam im Geiste bis zehn, kann man sich durchaus in Reizsitutationen kontrollieren. Vorausgesetzt, man ist nüchtern. Es kommt mir zugute, dass ich den Mehlsack in den Händen halte. Obwohl ich kurzfristig mit dem Gedanken spiele, ihn Frank Sander überzuschütten. Dennoch schlucke ich meine Wut herunter und verkneife mir ein Aufstoßen. Ich hätte den Sekt weglassen sollen.
Vida und Lukas rücken näher und spähen mir interessiert über die Schulter, während ich großzügig Mehl in die Plastikwanne rieseln lasse. Ein gutes Brot braucht nur wenige Grundzutaten. Mehl, Hefe, Wasser, etwas Zucker und Salz. Ergeben stelle ich die Dose mit dem Fleur de Sel auf den Tisch und verfluche Julius dafür, dass ich nun genötigt bin, das teure Zeug zum Backen zu verwenden, weil er das einfache Steinsalz
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