Ausgerechnet Souffle'!
Wie sähe das denn aus.
„Er ist nit zu ertrage!“
Mit einem Krachen schlägt Frau Krause die Küchentür hinter sich zu, während ein Teller außen gegen das Holz splittert. Wutschnaubend poltert sie die Treppen zu ihrer Wohnung hinauf, nicht ohne mir, die ich gerade Geschirr hineintragen will, einen tödlichen Blick mit einem „Dodrüver redde mer noch!“ zuzuwerfen.
Die Kommunikation zwischen zwei Personen ist eine hochkomplexe Angelegenheit. Nicht nur, was die Verständlichkeit von Dialekten angeht. Selbst ich habe manchmal Mühe, Frau Krauses Urkölsch zu verstehen. Es bleibt jedoch nicht dabei, dass einer dem anderen etwas mitteilt. Eine harmlose Frage beispielsweise kann jede Menge Konfliktpotential bergen, kommt die Beziehungsebene ins Spiel. Und die ist bei Julius und meiner Vermieterin bekanntermaßen ein klein wenig angespannt. Es existiert kein rein verbaler Austausch unter Menschen, dazu sind wir schlichtweg zu menschlich. Unsere Aussagen verbinden sich untrennbar mit Körpersprache, Chemie und Emotionen. In unserem Fall heißt das, die beiden sind sich derart spinnefeind, dass sie ausschließlich auf der emotionalen Ebene senden und empfangen.
Ich stehe ziemlich verdattert im Gang und schaue die Treppe hoch, auf der meine Vermieterin soeben verschwand. Seit Julius Einzug in die winzige Mansarde, die genau über Frau Krauses Wohnung liegt, herrscht im Hause Kriegszustand. Sobald die Streithähne sich begegnen, gibt es Krach. So lautstark, dass ich es als geschäftsschädigend einstufen muss, ganz abgesehen von dem zerbrochenen Porzellan. Ich sollte mir dringend etwas einfallen lassen.
*
Inspiriert von einem Zeichentrickfilm wähle ich heute Abend Ratatouille als Beilage zu einem Hühnchen. Meine Schüler sollen den Umgang mit dem Schneidewerkzeug perfektionieren. Bei dem Gemüsegericht gibt es wieder jede Menge Zutaten zu verarbeiten. Meine Männer wollen Fleisch, so belasse ich sogar eine vegetarische Kost lieber nicht bei der rein tierlosen Variante. Ehrlich, das kann unschön enden.
Ich kannte mal jemanden, der fand, eine Speise ohne tierische Beigabe sei kein Essen. Das führte so weit, dass mein Begleiter in einem Spitzenrestaurant der Extraklasse mit gezücktem Gäbelchen unter der Salatdekoration nach einem Stück blutigem Fleisch suchte. Obwohl ich ihn mehrfach darauf hinwies, dass in Ratatouille kein Tier hineingehört. Er wollte mir nicht glauben. So rief er den Kellner und machte den armen Jungen - hörbar für den gesamten Speisesaal - rund, wieso das Steak auf seinem Teller vergessen wurde. Am Ende der lautstarken Diskussion, die von unflätigen Ausdrücken beiderseits nur so wimmelte, rauschte der beleidigte Garçon in die Küche. Kurz darauf kam der Koch mit unbewegtem Gesichtsausdruck an unseren Tisch. In seiner Hand schwang er ein gewaltiges Rettichgewächs, das er sich wohl in der Eile als Baseballschlägerersatz gegriffen hatte. Sein Anblick ließ mich auf meinem Stuhl auf Liliputanergröße schrumpfen. Er knallte meinem ungehaltenen Anhang eine Menükarte auf den vollen Teller, sehr zum Nachteil von Zucchini und Aubergine. Der Tomatensugo spritzte nach allen Seiten, unter anderem auf sein Hemd und mein weißes Kleid. Die Schuldfrage klärte sich zügig für den, der lesen konnte. Über dem Wochenmenü prangte klar und unmissverständlich der goldene Schriftzug „Vegetarisches Sternehaus“.
Ups.
Das hatte ich in meinem Kölner Restaurantführer für Nicht-Touristen glatt übersehen. Ich fand den Namen „Brokkoli“ so niedlich, dass ich bei der Reservierung vergaß, mich nach der Speisekarte des Hauses zu erkundigen. Auch diese Verabredung stellte wortgetreu ein einmaliges Ereignis dar. Mein Begleiter machte mir deutlich, dass eine Frau, die seinem Essen das Essen wegisst, nicht seiner Vorstellung entspricht. Obwohl ich mehrfach beteuerte, ein ordentliches Steak durchaus zu schätzen, glaubte er mir schlichtweg nicht. Ich tröstete mich anschließend in einem Dönerimbiss. Allein.
Amüsiert beobachte ich Vida, die mit angewidertem Gesichtsausdruck das nackte Hähnchen betrachtet und vorsichtig einen Flügel anhebt, um ihn sofort wieder fallen zu lassen. Lukas wagt sich todesmutig mit der Geflügelschere ans Werk.
Frank nimmt sich das andere Huhn vor. In Erinnerung an seinen Schmorbraten überrascht es mich nicht, dass er sich damit recht geschickt anstellt. Vermutlich ist bloßes Fleisch naturgemäß eher sein Fachgebiet als junges Gemüse.
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