Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ausgerechnet Souffle'!

Ausgerechnet Souffle'!

Titel: Ausgerechnet Souffle'! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Winter
Vom Netzwerk:
ungestört zu sein. Offensichtlich habe ich mir das falsche Lokal zum Untertauchen ausgesucht. Hier geht es zu wie am Bahnhof meines Heimatdorfes.
    „Hey Julia.“
    Ich ergebe mich meinem Schicksal.
    Sie zeigt auf den freien Stuhl neben meinem.
    „Darf ich?“
    „Natürlich. Setz dich.“
    Seufzend stellt Julia ihre Einkaufstaschen auf dem Boden ab und lässt sich nieder.
    „Ich wusste gar nicht, dass Shoppen so anstrengend ist.“
    Ihr Lächeln ist zauberhaft. Nach wie vor wirkt sie wie eine Elfe auf mich, die gerade versehentlich in die Menschenwelt geplumpst ist, weil jemand die Blüte, auf der sie ruhte, allzu doll geschüttelt hat. Es würde mich nicht wundern, irgendwo ein Glöckchen schellen zu hören, sobald sie sich bewegt. Wobei ... bilde ich mir das ein, oder wird ihr Rock immer kürzer? Und wenn ich es mir recht überlege, ist von der kleinen Julia nicht mehr allzu viel übrig. Ist das Schminke?!
    „Sag bloß, du hast das noch nie gemacht“, schmunzle ich und zwinge mich, den Blick von ihren gazellenhaften Beinen zu wenden und stattdessen ihre Tüten zu betrachten.
    Für eine ungeübte Einkäuferin besitzt sie einen ziemlich exklusiven Geschmack.
    „Tatsächlich“, schelmisch schwenkt Julia eine Ausgabe der ELLE, „ließ ich mich ein bisschen beraten.“
    Kluges Mädchen.
    „Zeig mal.“
    Neugierig spähe ich in die Tasche aus dem teuren Geschäft. Ich verkneife mir die Frage, ob sie mir die Papiertüte mit dem edlen Aufdruck schenken würde. Es gibt nichts Besseres, als unter den Stielaugen der Kassiererin im Lebensmitteldiscounter mit unbewegtem Gesichtsausdruck Buttermilch und Frischkäse in eine Pradatasche zu packen.
    „Gefallen dir die Sachen?“
    Julia sieht mich unsicher an und hält eine atemberaubende Bluse aus einem roséfarbenen Seidenstöffchen in die Höhe. Die Zahl, die ich auf dem kleinen, weißen Preisschildchen sehe, finde ich nicht weniger beeindruckend.
    „Ich habe sie gleich in drei Farben gekauft, weil ich mich nicht entscheiden konnte“, bemerkt Julia schüchtern.
    „Donnerwetter“, entfährt es mir, „hast du im Lotto gewonnen?“
    In Sekundenschnelle verdunkelt sich ihr Blick.
    „Ich habe geerbt. Vor einiger Zeit ist meine Mutter verschieden.“
    Sie sagt das sehr leise. Während ich mich im Stillen über mein vorlautes Mundwerk ärgere, welches ich dringend in den Griff bekommen sollte.
    „Das tut mir leid.“
    Mehr fällt mir dazu nicht ein. Doch Julia fängt sich rasch.
    „Das braucht es nicht. Eigentlich ... ist es schon eine ganze Weile her.“
    Gott sei Dank kommt die Kellnerin an unseren Tisch, um die Bestellung aufzunehmen. Julia bestellt lächelnd einen Cappuccino. Meine Neugierde ist bedauerlicherweise schneller als mein Taktgefühl.
    „Woran ist sie gestorben?“
     Fast gequält sieht sie mich an. Ihre hellgrünen Augen schimmern feucht. Prima Katta. Jetzt bringst du sie auch noch zum Weinen.
    „Entschuldige“, setze ich hinzu, „das hätte ich nicht fragen sollen.“
     Katta, geh nach Hause. Steck deinen Kopf unter die Bettdecke und fang endlich an, nachzudenken.
    „Sie hatte Krebs.“
    Julia nestelt an der hübschen Bluse und beginnt, sie säuberlich zusammenzufalten. Ein Ruck geht durch ihren schmalen Körper und plötzlich lächelt sie mich an.
    „Ich habe nie mit jemandem darüber geredet ...“
    Sie nimmt die Lindgrüne aus der Tüte und legt auch diese vorsichtig zusammen. Ich sitze mäuschenstill. Keinen Mucks, Katta, ermahne ich mich selbst. Stattdessen lege ich meine Hand auf ihren Arm. Ihre Haut fühlt sich kalt an, obwohl es mindestens dreißig Grad warm ist.
    „Ich mag dieses Blau“, murmelt sie, während sie das dritte Teil aus der Tasche zieht.
    Ich nicke.
    „Ich auch.“
    „Ich habe eine Schwester.“
    „Hmhm.“
    Ich traue mich echt nicht, mehr zu sagen.
    „Melissa und ich waren immer unzertrennlich. Dann wurde Mama krank. Und Melissa kam nicht gut damit klar.“
    Julia packt die nächste Tragetasche aus. Ein blassblauer Rock. Sie streicht abwesend über das Textil und sieht auf.
    „Sie ließ mich allein. Und ich war furchtbar wütend auf sie.“
    „Das kann ich mir vorstellen“, mitfühlend ergreife ich ihre Hand.
    „Aber jetzt vermisse ich sie. Und ich weiß nicht, wie ich den Anfang machen soll. Wir haben seit drei Jahren nicht miteinander gesprochen.“
    Behutsam legt sie den gefalteten Rock auf die Blusen. Die Kellnerin bringt einen Cappuccino und frisch gepressten Orangensaft. Julia bedankt sich freundlich.

Weitere Kostenlose Bücher