Ausgezählt
Straße. Schulkinder winkten. In einem Fluss badeten Frauen, in Sarongs gehüllt.
From sma’ ville’ near Angkor.
Fred nestelte an seinem Rucksack, verstaute Plan und Fotos. Am Fuß der Berge schlug der Pilot den westlichen Kurs ein, der die Maschine zurück zum Lager an der thailändischen Grenze bringen würde. Unter ihnen nur noch Grünzeug, Gestrüpp und flirrende Hitze. Berge und Wald.
Die Brüder hatten die Statue in Kniehöhe abhacken wollen. Geschätzte fünf Zentner – der entscheidende Unterschied. Als hätten sie es geahnt.
Wir haben Menschenleben auf dem Gewissen, dachte Bruno. Und Fred ist es scheißegal. Hauptsache, sein Vater macht ein gutes Geschäft.
Der Sockel streifte die Wipfel. Äste knackten, Vögel flatterten auf – der steinerne Gott geriet ins Schlingern und krachte gegen einen Baumstamm.
Fred schrie Sok San an: »IF THE STATUE GETS BROKEN, NO MONEY! YOU UNDERSTAND?«
Bruno hasste ihn. Er nahm sich vor, nie wieder ein Wort mit Fred zu wechseln.
21.
Alles war auf einmal wieder da. Die Statue. Fred. Der Tod.
Bruno war bereit, seinen Vorsatz zu vergessen. Als hätte er einen inneren Hebel umgelegt. Er musste mit Fred reden.
Das Hotel am Park lag keine fünf Autominuten entfernt, stadteinwärts an der Kaiserswerther Straße, mit Blick auf Nordpark und Aquazoo. Bruno spannte sämtliche Muskeln an.
Auf dem Pflaster vor dem Hotel ließ Thilo Becker den Passat ausrollen. Hinter ihnen hielt der Streifenwagen, zwei Uniformierte stiegen aus und schlössen sich den Kripomännern an.
Eine Absteige der unteren Mittelklasse. Der Eingang war verschlossen. Bruno klingelte – keine Reaktion.
Die Beamten schlichen um das Gebäude bis an ein schwach erleuchtetes Fenster im Erdgeschoss. Gedämpfte Stimmen, das blaue Flackern eines Fernsehgeräts. Thilo klopfte.
Es dauerte eine Weile. Regen nieselte. Das Fenster ging auf. Ein rotgesichtiger Mann mit krausem Backenbart lugte heraus.
Thilo hielt ihm seinen grünen Dienstlappen hin. »Sind Sie der Nachtportier?«
»Woll’n Sie ’n Zimmer, oder was?«
»Wir haben nur ein paar Fragen.«
Der Backenbart winkte mit müder Geste und schloss das Fenster.
Eine halbe Minute später fiel Licht durch die Glastür an der Vorderseite. Ein Schlüsselbund rasselte. Der Pförtner ließ die Polizisten hinein.
»Um was geht’s denn?«
»Um einen Ihrer Gäste.«
»Dacht’s mir schon. Diese Sandnigger mit ihren Bärten sind mir von Anfang an komisch vorgekommen.« Er wies auf zwei schäbige Sessel. Auf einem Beistelltisch lagen alte Zeitschriften und die zerfledderte Samstagsausgabe der Morgenpost.
»Wenn Sie hier warten wollen. Ich ruf die Araber runter.« Er schlurfte hinter den Tresen und nahm einen Telefonhörer in die Hand.
Bruno sagte: »Nicht die Araber.«
»Wen dann?«
Thilo schob seine Jacke beiseite und zog die Pistole aus dem Holster. Er hielt sie mit beiden Händen auf den Boden gerichtet. »Und nicht anrufen. Wir gehen hoch.«
»Oder so.« Der Pförtner starrte auf die Waffe, die im Licht der Neonröhren schimmerte.
Bruno hielt ihm Freds Kärtchen unter die Nase und deutete auf die Nummer. »Welches Zimmer hat diese Durchwahl?«
»Neunundzwanzig. Zweiter Stock.«
Sie nahmen die Treppe neben dem Aufzug. Der Backenbart folgte mit den Schlüsseln. Blanke Betonwände, Brandschutztüren aus Stahl.
Im zweiten Stock traten die Männer in einen Flur. Es müffelte wie in einem Secondhandladen, der nie frische Luft bekam. Die Zimmernummern auf den Türschildern waren in der grünlichen Notbeleuchtung kaum zu entziffern. Thilo hinderte den Portier daran, die Deckenlampen einzuschalten.
Hotelgeräusche: Filmmusiken, Dialoge. Wer jetzt nicht schlief, guckte Spätprogramm.
Am Ende des Gangs drang lustvolles Stöhnen aus einem der Zimmer.
»Letzte Tür links«, wisperte der Pförtner.
Die Beamten schlichen über den Teppichboden. Die Schlüssel des Backenbarts klimperten. Das Stöhnen wurde deutlicher. Ein Bett quietschte. Kein Film.
Thilo wies mit der P6 gegen die Tür. Die Schupos zogen ebenfalls ihre Waffen.
Die Polizisten grinsten sich an. Die kehligen Laute stammten von einer Frau. Laut und leidenschaftlich, wie Bruno es noch nie im Leben vernommen hatte.
Nummer neunundzwanzig.
Der Backenbart starrte mit großen Augen auf das Schloss. Schweiß trat auf seine Stirn. Er leckte nervös die Lippen. Bruno nickte ihm zu. Der Universalschlüssel glitt lautlos ins Schloss.
Drinnen schwoll das Stöhnen an, wechselte die Frequenz – wilde
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