Ausradiert: Thriller (German Edition)
hatten. »Öffnen Sie den Knopf, den dritten von links.«
Elaine knöpfte die Matratze auf. »Tasten Sie«, sagte Petrov. Sie schob die Hand unter den Bezug, zog einen kleinen Beutel mit grünem Inhalt hervor.
»Was ist das?«, fragte sie.
»Ein Kleeblatt«, erwiderte Petrov.
»Hat die Spurensicherung es übersehen?«
»Es ist nicht wichtig«, sagte Petrov. »Aber der Knopf war locker, und ich habe begonnen, herumzuspielen.«
Elaine hielt sich das Kleeblatt ganz dicht vor die Augen, schielte tatsächlich ein wenig, als sie es musterte. »Warum steckte es in der Matratze?«
»Cindy muss irisches Blut gehabt haben«, sagte Petrov.
»Wie meinen Sie das?«
»Sie hat das Kleeblatt dort als Glücksbringer aufbewahrt.«
»Woher wissen Sie das?«, fragte Elaine.
»Einfach geraten«, versicherte ihr Petrov, obwohl er es wusste. Seine Frau Kathleen hatte in ihrem Bett auch eins gehabt; aber das war Privatsache, er wollte nicht darüber reden.
»Die Menschen sind seltsam«, bemerkte Elaine.
12
W ürde es Ihnen etwas ausmachen, wenn wir ein kleines Experiment versuchen?«, erkundigte sich Dr. Tully.
Nick öffnete die Augen. Im Traum war er geschwommen, oben im See, obgleich direkt unter der Oberfläche Meeresalgen trieben. »Ich sehe nicht, wo wir das noch reinquetschen könnten«, antwortete Nick. War das Speichel in seinem rechten Mundwinkel? Er wischte ihn rasch ab. »Ich werde heute entlassen.«
»Erst in ein paar Stunden«, sagte Dr. Tully. »Was halten Sie davon, sich in der Zwischenzeit das hier anzuschauen?« Er hielt ein Video hoch. »Ich habe es vom Gerichtskanal – Ihre Aussage bei dem Mordprozess. Es ist eine ungewöhnliche Gelegenheit.«
»Für was?«
»Für einen Patienten mit Erinnerungsdefiziten, tatsächlich eine der verlorenen Perioden nachzuerleben, wenn auch nur als Zuschauer.«
»Könnte es meine Erinnerung zurückbringen?«
»Ich wüsste nicht, wieso«, sagte Dr. Tully. »Aber was wir über das menschliche Gehirn nicht wissen, würde eine ganze Bibliothek füllen.«
»Heute ist der Tag?«
»Ja.«
»Donnerstag?«
»Eigentlich Freitag.«
»Aber ich werde entlassen?«
»Korrekt.«
»Bestimmt?«
»Bestimmt.«
»Dann wollen wir mal anfangen«, sagte Nick.
Ein kleines Zimmer, kalt und weiß. Nick lag in der Röhre.
»Funktionales MRT«, erläuterte Dr. Tully. »Funktional, weil es die neuronalen Impulse aufzeichnet, vier Bilder pro Sekunde. Während Sie zusehen – der Bildschirm ist dort drüben, aber das Bild wird von dem Spiegel direkt über Ihrem Kopf reflektiert –, scannen wir die Reaktionen Ihres Hirns. Es wird ziemlich laut, deshalb werden wir die Lautstärke am Fernseher hochdrehen. Irgendwelche Fragen?«
»Schreiben Sie einen Artikel darüber?«
»Das hängt vom Ergebnis ab.«
Billie schob das Gerichtsvideo in einen Recorder an der anderen Wand, drückte eine Taste. Eine Stimme sagte: »Schwören Sie, die Wahrheit zu sagen, die ganze Wahrheit, und nichts als die Wahrheit?«
Der Bildschirm erwachte zum Leben. Im Spiegel erblickte Nick sein altes Selbst, er trug den blauen Anzug, hatte die rechte Hand erhoben, hielt sie mühelos und kraftvoll in der Luft. »Ich schwöre«, sagte Petrov und nahm im Zeugenstand Platz. Er hatte volle schwarze Haare, eine leichte Bräune, unter dem Jackett spielten Muskeln. Im Ärmel war kein Riss.
Ein Mann mit wohlfrisierter weißer Mähne trat ins Bild. Der Verteidiger: Nick erinnerte sich, ihn von Zeit zu Zeit im Fernsehen gesehen zu haben, obwohl ihm der Name nicht einfiel. Er besaß struppige Augenbrauen, die Nick an jemanden erinnerten, aber auch der fiel ihm nicht ein. Der Verteidiger begann Fragen zu stellen. Petrov gab vorsichtige Antworten, fügte von sich aus nichts hinzu, in der Manier eines Polizisten oder von jemandem, der mit Verhören vertraut war. Aber Nick, der vom MRT aus zusah, hörte kaum, was gesprochen wurde, er war gefangen von Petrovs Bewegungen, dem Klang seiner Stimme, seinem Selbstvertrauen. Was seine Erinnerung an jene Szene betraf, so war sie nicht vorhanden. Ihm war alles neu.
Neu und hypnotisierend. Zum einen wurde klar, dass die beiden Männer sich vom ersten Augenblick an verabscheuten. Nicks neuer Sinn, dieses Gespür für Untertöne, machte das deutlich. Man erkannte es an der Art, in der der Verteidiger von seinen Notizen aufschaute, und daran, wie Petrovs Blick sich langsam auf sein Gesicht heftete.
»Tolle Karriere«, sagte der Verteidiger. »Nicht wahr, Mr. Petrov? Bisher.«
»Dazu kann
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