Autobiografie eines Lügners
Freitagabend im Hotel Bell …. Warum ich mich darauf freute? Bei unserem letzten Treffen waren sie bereits unbehebbar langweilig geworden. Sie wollten alle heiraten und zur Ruhe kommen, und es war ihnen unmöglich, länger als für eine halbe pint vor die Tür zu gehen, und ihre einzige Fluchtmöglichkeit vor ihren Frauen war, ständig über Autos zu reden –, war der TR 3 besser als der TR 2 ; was machen sie bei Lotus dieses Jahr; verdammte Dichtung letzte Woche im Arsch, hat mich 25 Eier gekostet, aber denk doch mal an die Arbeitsstunden; aber sowas macht man doch selbst –, hab nur zwölf Tage gebraucht; naja, du hattest ja aber auch sowieso Urlaub … Ich platzte mitten hinein und fragte: »Was macht Marlene eigentlich so?« – »Hat ihren Namen in Jane geändert – ist, glaube ich, Lehrerin geworden – fährt son klapprigen ollen MG ….«
»Wollt ihr noch eine Runde?« fragte ich, nachdem ich die erste und bisher einzige Runde gekauft und die ganze letzte Stunde ungeduldig darauf gewartet hatte, daß vielleicht auch mal sonstwer zahlt.
»Nein danke, wir müssen alle nach Hause und mit unseren Frauen kommunizieren.«
»Hey, heute abend läuft der spanische Grand Prix in der Glotze!« sagte sonstwer.
»Oh, ja, dann muß ich aber los, das kann ich nicht verpassen.« Und sie rannten davon in ihre Drei-oben-anderthalb-unten-Kaninchenlöcher mit Garagen und Gattinnen, die aussahen wie Mehlsäcke in bedruckten Kitteln und sämtlich Hauswirtschaftslehre studiert hatten, wo man beigebracht kriegt, wie man Rührkuchen, Buttergebäck und Erdbeer-Gâteau macht und so vielseitig wird, daß man gleichzeitig bügeln und die Katze streicheln kann. Ich will nicht ungerecht sein, in Hauswirtschaftslehre wurde ihnen beigebracht, daß alle Nahrung aus Dosen oder gefrorenen Pappschachteln kommt. Das englische Bildungssystem hält auch heutenoch daran fest, daß man praktisch einen Nobelpreis in Cuisine haben muß, um Nahrung zuzubereiten, die nicht nach Schweineschmalz schmeckt, welches auf englisch lard heißt, weshalb sich sogar unsere Aristokratie teilweise den Titel »Lord« gibt, was nur die schlampige Aussprache von Schweineschmalz ist; siehe auch »lárdida«, svw. affektiert , »larder«, Speisekammer usw. 28
Warum also wollte ich diese Freunde wiedersehen? Nun, ganz ehrlich, um zu protzen. Damit, wie ich gerade beim Edinburgh Festival geglänzt hatte. Und mit Lawrence Durrell und noch einem anderen Mann geschwatzt hatte, der einen dreckigen Regenmantel trug und den sie Henry Miller nannten. Und wie wir zum Lunch bei Lady Crawthorne waren, mit Lord David Cecil und Anthony Asquith, dem »Papageientaucher«, wie wir gern scherzhaft zu ihm sagten. Und wie Dame Edith Evans zu mir gesagt hatte –, aber ich war bereits vor der Tür des Bell. Ich hielt kurz beim Eingang inne, um Kapitel Eins meines Vademecums, David Nivens Buch der großen Namen , 29 zu überfliegen, trat dann zuversichtlich ein. Niemand war da.
Die Tresenfrau erklärte, daß einige meiner Freunde bereits dagewesen waren.
Ich sah auf meine Uhr. Es war erst fünf nach neun. Die vorzeitige Häuslichkeit hatte wieder zugeschlagen.
Der einzige Mensch, den ich in der Bar kannte, war Peter Cox, ein vierunddreißig Jahre alter Anwalt und Sekretär beim Rugbyklub. Ich setzte mich zu ihm. Er hatte mir bereits eine pint und einen Whisky zum Nachspülen gekauft. Innerhalb von zwölf Sekunden war ich mit meiner Runde dran – »Nochmal dasselbe, Doris« –, und auf der Hälfte der nächsten pint verhielten wir kurz, um uns zu begrüßen.
»Ah, schon besser«, sagte er. »Schön, dich zu sehen. Nochmal dasselbe, Doris.« Und während wir auf die nächste Runde warteten, entschuldigte er sich für die Verzögerung bei der Getränkebestellung. »Tut mir leid. Muß an diesen verdammten Flitterwochen liegen.«
»Was?«
»Bin gerade von Heathrow hergefahren, mußte Jane auf dem Weg zu Hause absetzen. Hätte deshalb beinahe die Kneipenöffnung verpaßt.«
Von der Ehe angenehm unbeeinflußt, fuhr er fort: »Fand deine Rampenlicht-Show beim Edinburgh Festival toll … Du machst doch wohl jetzt nicht mit Medizin weiter, oder?«
»Doch.«
»Aber nicht mehr lange.«
»Tja …«
»Hatte nicht den Eindruck.«
»Tja äh ich äh …«
»Du solltest damit im West End auftreten … Verdammt ödes Kaff, Melton Mowbray –, komm bloß nie wieder hierher. Ich meine, was treiben denn deine Kumpels jetzt, reden über Autos und Babys und wie klasse es damals
Weitere Kostenlose Bücher