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Renaissancepaläste des Vatikans. Die einfachste Möglichkeit, sich mit ihm zu treffen, wäre selbstverständlich gewesen, ihn anzurufen und einen Termin in seinem Büro zu vereinbaren. Bei diesem Gespräch wäre jedoch kaum etwas Brauchbares herausgekommen. Nur zu gut konnte Saul sich die lakonischen Antworten auf seine Fragen vorstellen. »Wissen Sie irgend etwas über einen Zusammenhang zwischen Kardinal Pavelic und einer Reihe von Schecks, für die Ihr Büro geradegestanden ist und die von Berufskillern ausgestellt wurden, bei denen es sich möglicherweise um Geistliche handelt? Haben Sie je von einer unbekannten Geheimdienstorganisation innerhalb der katholischen Kirche gehört? Allein diese Vorstellung halten Sie für absurd? Natürlich. Entschuldigen Sie, daß ich Sie behelligt habe.« Nein, dachte Saul, als er, in einem Hauseingang versteckt, gegenüber von dem Gebäude wartete, in dem Pater Dusseaults Wohnung lag. Ein Gespräch im Büro des Paters würde ihn nicht weiterbringen. Er mußte in seiner Privatwohnung an ihn herankommen und ihn möglicherweise mit Gewalt zum Reden bringen.
Saul hatte Gallagher zugestimmt, daß es am besten wäre, wenn Saul und Erika weiterhin allein vorgingen, auch wenn der CIA sich mittlerweile wieder bereiterklärt hatte, sie bei ihren Nachforschungen zu unterstützen. Falls sie wirklich gefaßt wurden, konnte ihnen schlimmstenfalls zum Vorwurf gemacht werden, daß sie einen katholischen Geistlichen etwas zu nachdrücklich befragt hatten, ob er etwas über das Verschwinden ihres Vaters beziehungsweise Schwiegervaters wüßte. Jedenfalls hätte sich allein aufgrund dessen noch kein Zusammenhang mit geheimdienstlichen Ermittlungen herstellen lassen.
Außerdem handelte es sich dabei nach Sauls Meinung wirklich um eine Privatangelegenheit. Ihn interessierte nur Erikas Vater. Gallagher hatte ihm ein paar wichtige Informationen zukommen lassen, die sich auf die Männer bezogen, die ihm nachgestellt hatten. Als Gegenleistung dafür hatte Saul Gallagher auf das mögliche Bestehen eines bisher völlig unbekannten Geheimdiensts aufmerksam gemacht.
Hinter den Fenstern mehrerer Wohnungen gingen die Lichter an. Es wurde rasch dunkler. Nach neunzehn Uhr war der Vatikan für Touristen gesperrt. Saul und Erika hatten sich deshalb im Keller eines Bürogebäudes versteckt, um es erst nach Sonnenuntergang heimlich zu verlassen. Saul spähte die schmale Straße hinunter, wo Erika ebenfalls in einem Hauseingang wartete. Sie hatten sich zu beiden Seiten des Eingangs zu dem Gebäude, in dem der Pater wohnte, postiert. Sobald in Dusseaults Wohnung die Lichter ausgingen, würden sie ihm einen Besuch abstatten. Falls er das Haus verlassen sollte, würden sie ihm folgen.
Tatsächlich kam er nach einer Weile aus dem Haus. Saul kannte den kräftig gebauten jungen Franzosen mit dem dichten, dunklen Haar und dem leicht fliehenden Kinn von einem nachmittäglichen Besuch in Pater Dusseaults Büro, bei dem er sich als Journalist ausgegeben hatte, der sich dafür interessierte, ob die Nachforschungen bezüglich des Verschwindens von Kardinal Pavelic inzwischen zu irgendwelchen Ergebnissen geführt hatten. Der Pater war ihm dabei kurz angebunden, herablassend und arrogant begegnet. Entsprechend wurde Saul nun nicht von Gewissensbissen geplagt, wenn er dem geistlichen Herrn etwas unsanft auf den Zahn würde fühlen müssen.
Der Pater blieb kurz unter einer Straßenlaterne am Eingang des Palasts stehen und entfernte sich dann in Erikas Richtung. Sein schwarzer Anzug verschmolz mit dem Dunkel der Nacht, aber sein weißer Kragen blieb deutlich sichtbar.
Saul verließ sein Versteck und richtete seine ganze Aufmerksamkeit auf die Kreuzung am Ende der Straße, um zu sehen, welche Richtung Pater Dusseault einschlug.
Der Pater ging geradeaus weiter, zwischen der Sixtinischen Kapelle und dem Petersdom hindurch und vorbei an der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften. Schließlich betrat er die vatikanischen Gärten, deren nächtliches Dunkel nur von vereinzelten Lampen erhellt wurde. Zweimal mußte Saul stehen bleiben und in Deckung gehen; einmal kreuzten zwei Geistliche seinen Weg, einmal begegnete ihm ein Wachmann der Schweizer Garde. Doch sobald er die Gärten betreten hatte, deren Bäume und Sträucher ihm hinreichend Deckung boten, war ihm gleich wesentlich wohler. Allerdings weckten zwei Dinge, die der Pater tat, seine Besorgnis. Zum einen nahm er seinen weißen Kragen ab und steckte ihn in seine
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