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Titel: Autor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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die Beschreibung denken, welche die Frau ihm von dem Geistlichen gegeben hatte, der als Wanderer aufgetaucht war. Ob der helle Streifen an seinem Mittelfinger wohl auch von einem leuchtend roten Rubinring hergerührt hatte, wie er ihn an der linken Hand eines jeden der drei Männer aufblitzen hatte sehen, als sie sich dem Bauernhaus näherten?
    Und ihm fiel noch etwas ein, das die Frau gesagt hatte. Der mysteriöse Wanderer hatte mit ungewöhnlicher Sorgfalt auf seine Hände geachtet und fast immer Handschuhe getragen. Ganz offensichtlich hatten auch diese drei Männer mitten im Sommer Handschuhe in ihren Anoraks einstecken gehabt. Gehörten die drei Männer und der Wanderer zusammen? Waren auch sie Geistliche, wie das die Frau von dem Wanderer angenommen hatte?
    Geistliche, die bewaffnet waren? Die ihn wie echte Profis gejagt hatten? Die ihn offensichtlich umzubringen beabsichtigten? Das alles schien schwer vorstellbar. Die Frau mußte sich getäuscht haben. Was sollten Geistliche mit dem Verschwinden von Erikas Vater und Avidan zu tun haben? Religion und Gewalt? Diese beiden Dinge waren doch unvereinbar.
    Plötzlich änderte der Wind seine Richtung. Er fuhr durch die Fichtenzweige und stach in seine Augen. Saul zitterte vor Kälte. Er beneidete seine Verfolger um ihre Anoraks und Handschuhe. Von dem Sturz den Abhang hinab schmerzten seine Glieder. Seine dünnen Kleider waren schnee- und eisverkrustet. Doch jetzt war keine Zeit zum Nachdenken. Er mußte handeln!
    Der Mann kam näher. Saul verbarg sich hinter dem Baumstamm. Bäuchlings auf dem Boden liegend, sah er Hosenbeine und Schuhe des Mannes ganz dicht an der Fichte vorbeigehen. Er stellte sich vor, wie der Mann mit seinen Blicken die Umgebung absuchte.
    Und dann blieben die Schuhe stehen. Sie drehten sich, als betrachtete der Mann den Baum, hinter dem Saul auf der Lauer lag. Voller Angst biß Saul die Zähne zusammen und wartete darauf, daß der Mann unter den Zweigen hindurchspähte und feuerte.
    Statt dessen drehten sich die Schuhe wieder und setzten ihren Weg in der bisherigen Richtung fort. Saul kroch dem Mann hinterher. Das Schneetreiben war jetzt so stark, daß er ihn nicht mehr sehen konnte.
    Jetzt oder nie! Saul richtete sich in die Hocke auf und schnellte nach vorn. Die Wucht seines Sprungs schleuderte den Mann zu Boden, und Saul landete mit einem Knie in seinem Rückgrat. Dann packte er den Kopf des Mannes, riß ihn mit aller Kraft nach hinten und brach so die Nackenwirbel seines Verfolgers. Selbst das Heulen des Sturms vermochte das knackende Geräusch nicht zu übertönen. Den Körper des Mannes durchlief ein kurzes Beben, er keuchte und sackte dann leblos zusammen.
    Hastig zerrte Saul den Toten den Hang hinunter und unter die Zweige der Fichte. Mit klammen Fingern zog er ihm die Handschuhe aus. Noch mehr Mühe bereitete es ihm, sie sich selbst überzustreifen. Er klemmte seine Hände unter seine Achselhöhlen, um sie etwas zu wärmen, doch auch unter seinen Achselhöhlen war es eisig kalt. Wenn seine Körpertemperatur noch mehr absank, würde er das Bewußtsein verlieren.
    Für einen bedrohlich langen Augenblick fantasierte Saul von der Hitze in der israelischen Wüste und schwelgte in der wohligen Wärme einer eingebildeten Sonne. Doch er wurde abrupt in die rauhe Wirklichkeit zurückgeholt, als ihn ein plötzlicher Windstoß vor Kälte erschaudern ließ. Hastig machte er sich daran, dem Toten den Anorak auszuziehen und sich selbst überzustreifen. Er bot zwar nur wenig Schutz gegen die eisige Kälte, aber im Vergleich zu seinem dünnen Hemd stellte er doch eine enorme Verbesserung dar.
    Vorsichtig spähte er zwischen den Fichtenzweigen hindurch zu der Stelle hinüber, wo die anderen beiden Männer vermutlich auftauchen würden, und rannte dann zu der Stelle, wo er seinen Verfolger überwältigt hatte. Er tastete mit beiden Händen den Schnee ab, bis er das kalte Metall der Pistole, die der Mann hatte fallen lassen, zwischen seinen Fingern spürte. Doch sein Zeigefinger wollte den Befehlen aus seinem Kopf nicht nachkommen; er weigerte sich, sich um den Abzug zu legen. Verzweifelt schlug Saul mit seinen Armen gegen seinen Oberkörper, um seine Hände zu wärmen. Doch trotz aller seiner Bemühungen blieben sie vom Handgelenk abwärts völlig taub.
    Er steckte die Pistole in seinen Gürtel und zog sich wieder in den Schutz der Bäume zurück. Dann schlich er im Wald nach rechts, um sich den anderen beiden Verfolgern von hinten nähern zu können.

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