Avanias der Große
Erde. Ich verdeckte mein Gesicht. Und als der Sturm sich wieder legte, konnte ich plötzlich wieder sehen. Er war es! Er hat mir das Augenlicht wiedergegeben! Und ich Narr habe ihn vorverurteilt.“
Magria war immer noch fassungslos. Die Augen ihres Vaters waren verbrannt gewesen. Sie waren eindeutig funktionsunfähig gewesen. Nun waren sie vollkommen wiederhergestellt. Und es gab keine Spuren von Verbrennungen um die Augenhöhlen herum. Zum ersten Mal in ihrem Leben war Magria höchstpersönlich Zeugin eines Wunders.
„Er war ein wahrer Prophet! Ein ehrlicher Gottesmann stand neben mir und ich habe ihn verspottet. Mögen die Götter mir vergeben!“
Sassanias saß an der Wand angelehnt auf dem Boden. Trotz dieses Momentes des großen Glücks fühlte er sich schuldig. Schuldig, diesen Mann vorschnell verurteilt zu haben.
„Es tut mir leid, Vater! Ich muss zu Ende führen, was ich begonnen habe! Es gibt kein Zurück mehr für mich!“
Ihr Vater beachtete sie nicht und hörte ihr nicht zu. Seit dem frühen Morgen schrie Sassanias laute Worte gegen den Tyrannen aus dem Fensterloch seiner Zelle heraus. Wenn es oben in den Sälen des Palastes still wurde, konnten alle Leute dort seine Stimme vernehmen. Böntschakis hatte diese Stimme nicht ertragen können und hatte daher Magria zu ihrem Vater geschickt.
„Ich bitte dich, Vater, du musst damit aufhören, den Herrscher zu provozieren! Sonst werden sie dir noch viel Schlimmeres antun! Und ich werde sie nicht mehr davon abhalten können.“
Sassanias nahm ihre Worte zur Kenntnis, aber ihm war es von nun an
gleichgültig, womit Böntschakis ihm noch drohen wollte. Er kannte keine Furcht mehr, denn er sah das Recht des Ehrlichen auf seiner Seite. Nachdem Böntschakis diesen unschuldigen Priester hingerichtet hatte, fühlte er sich dazu verpflichtet, nun auch nach dessen Tod den Namen des Predigers zu verteidigen.
Aus Magrias rechtem Auge tropfte eine Träne herunter. Sie sah ihre Fehler ein, aber glaubte immer noch daran, selbst im Recht zu sein. Es traf sie schwer, dass ihr Vater nicht mehr mit ihr sprechen und sie nicht mehr sehen wollte. Sie trat leise ab.
Nachdem Magria weg war, stand Sassanias wieder gerade auf, hob seinen Kopf nach oben an und begann wieder laut hinauszuschreien: „Deine Sünden werden dir deinen eigenen Untergang bereiten, grausamer Tyrann! Du wirst zugrunde gehen! Du, deine Huren, deine Leibeigenen und all deine Verbündeten, ihr werdet gemeinsam mit euren falschen Göttern vernichtet werden! Es ist zu spät für euch, umzukehren, alles zu bereuen und Vergebung zu erlangen!“
Als Magria wieder oben bei Böntschakis war, konnten beide diese dumpfe Stimme deutlich hören und jedes Wort verstehen. Ein kalter Schauer zog über Böntschakis' Rücken und er zitterte leicht am ganzen Körper. Magria stand einige Schritte vor seinem Thron und schwieg die ganze Zeit. Sie dachte über die ganze Vergangenheit in Avania nach. Auf einmal kam ihr in den Sinn, dass sie es früher in ihrer Heimat doch viel schöner hatte. Zwar war das Leben dort grausam und langweilig, aber dennoch noch erträglich und nicht so aus den Fugen geraten, wie es jetzt der Fall war.
„Ich glaube es nicht! Er hat sein Augenlicht wieder? Es war wohl ein großer Fehler, Dinjakis in die Nachbarzelle zu werfen. Alles nur wegen dir!“
„ Es ist jetzt nicht mehr zu ändern. Was gedenkt Ihr, als Nächstes zu tun, Majestät?“
„ Was schlägst du denn vor? Ihm noch einmal das Augenlicht zu nehmen? Dann würde er doch noch aggressiver werden! Und hinrichten lassen kann ich ihn auch noch nicht. Wir müssen warten, bis sein Sohn hier ist. Ich kann ihn als Erpressungsmittel verwenden. Zwischenzeitlich freilassen, kann ich ihn auch nicht, da er jedem Menschen alles weitererzählen würde.“
„ Wie gedenkt Ihr, Eure Stadt zu verteidigen?“
„ Dümnakis und Aljakis haben schon alles vorbereitet. Wir ziehen alle unsere Truppen zurück und werden bis zuletzt ausharren!“
„ Wieso wollt Ihr ihn nicht direkt auf offenem Feld angreifen?“
„ Nein, hier hinter unseren Mauern sind wir sicher! So müssen sie zu uns vordringen, was nahezu unmöglich ist! Sie werden schwere Verluste haben, bevor sie nur in die Nähe unserer Stadtmauern kommen!“
Magria nahm all die schlechten Vorzeichen sehr ernst. Der Tod des heiligen Mannes war kein geschickter Zug, da war sie sich nun sicher. Und die Moral ihrer Gegner war jetzt gestärkt.
Plötzlich erinnerte sie sich an den Tag, als sie
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