Avanias der Große
Er hastete auf sie zu und ergriff sie an ihren Armen. „Da ist doch etwas! Ich weiß es! Los, sag es mir!“
Die Gemahlin wehrte sich und brach in Tränen aus. Sie rannte zum Fenster und wischte sich mit ihrer rechten Hand die Tränen vom Gesicht ab. Mohagos kochte vor Wut. Er wusste sich nicht mehr zu helfen. Er rannte aus dem Zimmer hinaus und hastete zu einem der Speisesäle. Er trank mehrere Becher Wein, bis er mit dem Kopf auf den Tisch fiel und einschlief.
Nach einer Weile öffnete er seine Augen. Sein Schädel brummte. Im nächsten Augenblick konnte er sich wieder an alles erinnern.
Sofort machte er sich zu seinem Vater auf.
Er traf ihn wieder im Empfangssaal an. Mogos war nicht erfreut über den heruntergekommenen Zustand seines Sohnes, aber angesichts ihrer Lage zeigte er Verständnis.
„ Irgendetwas ist da faul, Vater! Ich weiß es!“
„ Beruhige dich! Ich habe unseren Mann losgeschickt und ihm gesagt, dass wir ihm die Prinzessin nicht als Geisel hergeben werden.“
Sie hörten auf einmal ein lautes Gebrüll von draußen kommend. Sie eilten zum Fenster an der Nordseite des Zimmers. Was sie da sahen, war nicht nur schamlos, sondern auch eine direkte Provokation seitens der Alvestier. Avanias wollte den Edelmännern nichts antun, daher ließ er ihnen nur die Kleider vom Leibe reißen. Nachdem seine Soldaten ihnen ihre Fesseln abgenommen hatten, rannten diese moighusischen Edelmänner nackt über das Feld zu den Toren der Stadt.
„Unmöglich! Was erlaubt sich dieser unverschämte Junge!“
Mohagos war nicht mehr aufzuhalten. Ihm war immer noch vom Alkohol schwindelig gewesen. Er eilte zu seinem Schlafgemach, wo sich seine Frau immer noch aufhielt. Kräftig wie noch nie schlug er die Zimmertür hinter sich zu und stürzte sich auf seine Gemahlin. Er nahm sie in den Würgegriff, sie lag nun vor ihm quer auf dem Bett. Noch halb betrunken wusste er nicht, was er da tat. „Sag endlich, was da zwischen euch ist!“
Er drückte immer fester zu, sie bekam kaum noch Luft. Noch einmal schrie er seine Frage aus seiner Kehle heraus.
Mit aller Kraft nickte sie. Der Moighuse löste seine Hände von ihrem Hals. Sie keuchte, sie sprach langsam und war schwierig zu verstehen: „Ich habe ihn schon vor dir gekannt. Ich liebe ihn!“, sprach sie mit heiser Stimme. Sie hasste diesen Mann nur noch und wollte ihn provozieren. Wenn er sie nun dafür töten würde, wäre es ihr recht gewesen, denn sie wollte nicht mehr an seiner Seite leben.
Mohagos verstand alles deutlich. Diese Worte waren wie Gift, das sich in seine Seele hineinschlich. Er schrie laut und drückte mit seinen Händen kräftiger als zuvor zu. „Ich werde diese Liebe vernichten!“
Nur wenige Augenblicke später atmete Sarafie, die Tochter des Böntschakis und die große Liebe von Avanias, nicht mehr. Sie war tot. Es war plötzlich ganz still im Raum. Der moighusische Prinz aber bereute seine Tat nicht. Nach seiner Betrachtung hatte er gerecht gehandelt. Wie lange hatte er doch ihre Liebe gewinnen wollen, aber sie habe nur diesen abscheulichen Feind geliebt, sagte er zu sich. Wenn sie ihm im Geiste nicht gehörte, dann wollte er sie nicht mehr länger haben. Und wenn er sie nicht mehr länger haben wollte, dann sollte sie keiner mehr haben, dachte er.
Da sie die Geliebte dieses seines Erzfeindes war, köpfte er ihre Leiche und ließ den Kopf über die Mauer werfen.
Als sein Vater erfuhr, was geschehen war, war alles schon vorbei gewesen. Aber auch jetzt noch, nachdem sein Sohn diese ungeheuerliche verbrecherische Tat begangen hatte, konnte Mogos sich nicht von ihm lösen und wollte weiterhin zu ihm halten.
Er hatte sich schon für eine Weile lang hingelegt, als Ruban in sein Zelt eintrat und etwas in einem Tuch mit sich trug. Urtschana kam auch und traute sich nicht, Avanias in die Augen zu schauen. Der König konnte nicht genau erkennen, was in den Leinen verdeckt
wurde, aber sah die roten Flecken des Blutes. Er erhob sich rasch.
„ Was ist das?“
Ruban wandte sein Gesicht verzogen zur Seite ab. Beide Männer am Eingang schwiegen.
„Es, es ist der Kopf einer Leiche.“
„ Um Gottes Willen! Wessen Kopf denn?“
„ Wir, wir, wir vermuten, dass es der Kopf von, von ...“
„ Warum stotterst du so? Nun sag es doch endlich!“
Urtschana nahm Ruban das Bündel aus der Hand. „Es ist der Kopf der Prinzessin von Moighesia.“
Er überreichte Avanias das Bündel. Der alvestische Prinz konnte nicht fassen, was der Kolakke ihm da gesagt
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