Avanias der Große
linken Hand an ihrem Hinterkopf und küsste sie auf ihren Mund. Die zarte Berührung seiner Lippen auf ihren eigenen war leidenschaftlich und für sie angenehm und schön. Noch nie in ihrem Leben hatte ein Mann sie berührt. So stellte sie sich vor, dass es ein unglaublich schöner Akt der Liebe sein müsste. Er küsste weiter unten ihren Kinn, dann ihren Hals, währenddessen stützte sich sich nach hinten ab und lehnte ihren Kopf nach hinten, so dass er ihren kurzen und breiten Hals liebkosen konnte. Ihr Herz raste, die Gefühle übermannten sie. Jetzt war sie bereit, sich ihm ganz hinzugeben.
Plötzlich wachte sie auf. Sie konnte sich an jede Einzelheit ihres Traumes erinnern. So etwas war ihr noch nie widerfahren. Schnell gelangte sie wieder zur Besinnung. Er war ein Fremder, ein Halusse. Sicher hatte er ihr das Leben gerettet und war sehr höflich zu ihr gewesen. Aber sie kannte diesen Mann nicht und wusste nicht, wer er wirklich war. Vielleicht führe er etwas im Schilde. Er und der Mann ihres Lebens? Mit ihm zusammen durchbrennen? Nein, dazu würde sie sich nicht durchringen können. Oder vielleicht doch?
Als die Sonne durch den Vorhang des Fensters ihres Zimmers auf sein Gesicht schien, erwachte Avanias. Er erschreckte sich beinahe, als er Malgarias hellwach neben ihm auf seinem Bett sitzend sah. Seine Gestalt flößte Avanias zum ersten Mal Angst ein.
„ Du hast gesprochen, während du schliefst. Die vorherigen Nächte auch. Da hast du aber ganz andere Namen herausgeschrien.“
Avanias ahnte schon, worauf Malgarias hinaus wollte, obwohl er sich an kaum etwas aus seinen Träumen erinnern konnte. „Und wenn schon! Was spielt das für eine Rolle? Wieso macht Ihr solch ein Gesicht?“
„Du hast mehrmals ihren Namen erwähnt und dabei, na ja...“
Avanias zog seine Augenbrauen hoch. Malgarias hatte wohl dabei zugeschaut, als er von Sarafie träumte. „Das ist mir so was von peinlich. Ich bitte Euch um Entschuldigung!“
„Nein, musst du nicht, mein Sohn! Das ist normal. Du träumst jetzt schon von ihr. Das ist nicht gut! Das bereitet mir schon die ganze Nacht lang Sorgen.“
„ Ach, jetzt fangt Ihr wieder damit an! Sie wird doch bald weiterziehen. Wohin sie auch immer wollte. Es wird nicht so schlimm sein, wie Ihr annehmt.“
Das war natürlich gelogen und Malgarias erkannte das sofort in Avanias' Augen und in seiner Satzmelodie. Er kannte diesen Jungen zu gut, aber er wollte ihn nicht in die Verzweiflung treiben. „Wir werden es sehen. Wie gesagt, lass dich nicht zu sehr von deinen Gefühlen leiten! Gefühle trügen meistens. Nichts ist, was es zu sein scheint! Merk dir das gut!“
Avanias nickte leicht und schaute zur Seite. Malgarias erhob sich von seinem Bett und ging zur Handtasche, die auf der Garderobe lag.
„ Ach ja, hab ich Euch von dem Prediger erzählt?“
Malgarias hielt inne und drehte sich mit verzogener Miene wieder zu Avanias zurück. „Welcher Prediger?“, fragte er Avanias mit heiser Stimme.
„Dinjakis oder so ähnlich heißt er, wenn ich mich recht entsinne. Sarafie meinte, er würde die Kranken heilen und nur von Liebe predigen.“
„ Ach, solche Männer gibt es zuhauf! Kommt immer wieder mal vor.“
„ Das sagte sie auch. Aber sie sagte auch, dass dieser Mann besonders sei und sie würde ihn daher gerne treffen wollen.“
„ Halte dich lieber fern von solchen Scharlatanen!“
„ Sie erzählte noch, dass viele Menschen ihr gegenüber bezeugt hätten, dass sie mit ihren eigenen Augen gesehen hätten, wie dieser Mann Tote wieder zum Leben erweckt habe.“
Malgarias lachte kurz auf. „Tote wieder zum Leben erweckt? Wie soll das denn gehen?“
Avanias blieb gelassen. Er erzählte Malgarias davon, nur um ihn von seiner Liebesgeschichte abzulenken. „Ja, das habe ich sie auch gefragt. Aber sie meinte, es sei wirklich so gewesen.“
„ Die Welt ist voll von Betrügern, mein Junge! Wie ich schon sagte, nichts ist, was es zu sein scheint! Und außerdem, kann denn aus Östrake etwas Gutes kommen?“
„ Ja, Ihr habt recht! Ich bin ja auch Eurer Meinung, aber man darf doch nicht alle Menschen sofort verurteilen! Es wird doch auch gute Menschen im Süden, in Östrake, geben!“
„ Ich habe einmal einen solchen Prediger in Aktion erleben dürfen. Vor unseren Augen heilte er eine blinde Frau. Später aber stellte sich heraus, dass die Frau von ihm gekauft war. Und Gutes aus Östrake? Oh, mein Junge, du hast noch nichts erlebt im Leben! Hättest du das gesehen, was
Weitere Kostenlose Bücher