Avanias der Große
aber sie lehnte ab und wollte selbst auf einem eigenen reiten, obwohl dies mit solch einem prächtigen Kleid schwierig war.
„ Vater, musstest du bisher wirklich kein einziges Mal persönlich vor dem König der Palparen erscheinen?“
„ Zum Tributentrichten? Nein. Böntschakis ist ein sehr eingebildeter und respektloser Mann! Er macht das, um mich zu demütigen. Mir bleibt aber keine andere Wahl.“
„ Würdest du ihn denn nach so langer Zeit nicht wiedersehen wollen?“
„ Nein! Wieso sollte ich das wollen? Er hat mich damals nur aus einem bestimmten Grund verschont. Das werde ich ihm nie verzeihen! Er kostet es aus, immer noch. Und ich sollte dann noch ihn besuchen wollen? Dann aber nur um diesem Mann einen Dolch ins Herz zu rammen!“
„ Warum tun wir es dann nicht?“
„ Tun was nicht?“
„ Lass uns an seinen Hof! Ich werde einen Dolch unter meinem Kleid verstecken und mich ihm nähern.“
„ Spinnst du! Nein, das war doch nur so eine Phrase von mir! Das würde ich nie tun! Und auch wenn du es tun würdest, denkst du, die würden uns dann einfach so davon laufen lassen? Unsinn!“
Magria konnte auf diese Weise ihren Vater nicht überreden, nach Östrake zu ziehen. Das Schicksal sollte aber dennoch ihr in die
Hände spielen. Der Bote nämlich, der in Begleitung kommen sollte, um das ganze Geld abzuholen, war ganz allein herbei geritten. Sassanias hatte bereits eine schlimme Vorahnung, als er den Mann aus der Ferne angeritten kommen sah. „Warum seid Ihr allein?“
Der palparische Soldat, voll in Rüstung, hielt einige Schritte vor Sassanias inne und drehte gleich wieder um. „Ihr sollt am Hofe des Königs erscheinen!“
„Wir sollen nach Östrake? Warum denn das? Wir geben Euch den Tribut, so wie immer, und kehren zurück in unsere Stadt!“
„ Nein, Ihr werdet weiterziehen nach Östrake! Der König verlangt eine Unterredung mit Euch.“
Sassanias überkam ein unbehagliches Gefühl.
Lamandias huschte an Malgarias vorbei, näherte sich Avanias und flüsterte ihm in sein Ohr: „Was sollen wir machen? Es steht Zu viel auf dem Spiel. Du weißt nicht, was für ein Kämpfer sein Sohn ist! Lehne das Angebot ab, versuche uns da irgendwie herauszubekommen!“
Avanias gab sein Einverständnis zum Zweikampf. Das Schicksal der Gefährten stand auf dem Spiel.
Draußen in der großen Außenhalle neben dem Empfangssaal sollten sie gegeneinander antreten.
Mehendes, der Sohn des Königs, war genauso alt wie Avanias, etwas kleiner und magerer und sein Gesichtsausdruck wirkte ständig diabolisch Angst einflößend.
Der mentschakische Prinz war ein talentierter Schwertkämpfer. Die Klinge seines Schwertes war sogar schärfer geschliffen, als die von Avanias' Schwert. Avanias hatte anfangs echte Schwierigkeiten, seine Angriffe zu parieren, aber schon nach Mehendes' erstem Angriff war es für Avanias ein Leichtes zu kontern und ihm so zuzusetzen, dass er nur noch in die Defensive gehen konnte und nach wenigen Momenten schon soweit in die Enge getrieben worden war, dass er aufgeben musste. Mischtes schämte sich für seinen Sohn. Avanias' Freunde jubelten so laut, dass es beinahe zu Ausschreitungen zwischen ihnen und den Handvoll anwesenden mentschakischen Bauern gekommen wäre.
Plötzlich wurde es still und mitten durch die Zuschauer bahnte sich eine junge Frau ihren Weg. Sie war leicht bekleidet und hatte genau so ein Schwert wie Mehendes in ihrer rechten Hand. Es war Nohandas, Mehendes' Cousine väterlicherseits. Nohandas war schon in ihrer Kindheit verwaist und ihr Onkel beschloss, sie bei sich aufzunehmen. Er liebte sie, als wäre sie seine eigene Tochter und konnte ihr keinen Wunsch abschlagen. So bekam sie auch Unterricht im Schwertkämpfen, obwohl es auch bei ihnen Frauen nicht erlaubt war, Waffen mit sich zu tragen oder mit diesen zu kämpfen. Sie wollte eine Revanche für ihren Cousin. Einige der Zuschauer kicherten, da sie nicht glauben konnten, dass es eine Frau im Ernst wagen würde, Avanias herauszufordern. Der König und auch Mehendes ließen sie gewähren. Avanias war sehr überrascht, als er dieses Mädchen wie ein Meister ihn angreifen sah. Sie war deutlich begabter als Mehendes. Mehrmals setzte sie Avanias schwer zu. Beinahe wäre Avanias zu Boden gefallen und sie hätte ihm sogar ihr Schwert in sein Herz gebohrt, wenn er nicht hätte rechtzeitig parieren können. Das Mädchen war nicht besonders schön, aber ihr Mut und ihre Fähigkeiten imponierten Avanias sehr. Sie beeindruckte
Weitere Kostenlose Bücher