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Avi Avraham ermittelt 01 - Vermisst

Titel: Avi Avraham ermittelt 01 - Vermisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dror Mishani
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zur Polizei zu finden. Am Ende war er sich sicher gewesen: Es ging um die Chance, mit Avrahams Hilfe herauszufinden, was wirklich mit ihm geschehen war. Er wollte mit Avraham zu dem Moment zurückkehren, in dem er die Streifenwagen der Polizei vor dem Haus hatte stehen sehen und begriffen hatte, dass sie nur für ihn dort waren. Als er Michal von diesem grandiosen Augenblick erzählt hatte, hatte er das Gefühl gehabt, seine Worte träfen nicht das, was er wirklich empfunden hatte. Er hoffte, bei Avraham würde dies anders sein. Was er Michal aber nicht erzählt hatte, da er wusste, sie würde es geschmacklos finden.
    »Wie ich schon sagte, ich weiß nicht, was genau meine Motive waren. Es gab sicher einige, denke ich. Aber ich weiß, dass ich von dem Moment an, da bekannt wurde, dass Ofer verschwunden ist, das Bedürfnis verspürt habe, mich an der Suche zu beteiligen und seiner Familie und der Polizei zu helfen, vor allem aber Ofer selbst. Außerdem habe ich realisiert, dass ich über dieses Thema schreiben möchte. Und wenn Sie nach einfachen Erklärungen suchen: Vielleicht hatte ich die Befürchtung, die Polizei könnte nicht ernsthaft genug an die Sache herangehen, und wollte dafür sorgen, dass umfassende Suchmaßnahmen veranlasst werden. Vielleicht wollte ich auch, und ich weiß, was ich jetzt sage, klingt furchtbar, aber vielleicht wollte ich auch nur sehen, wie so eine Suchaktion abläuft, um in der Lage zu sein, darüber zu schreiben. Aber all das erklärt mein Verhalten nicht, und ich bin mir sicher, dass es noch andere unterschwellige Gründe gegeben haben mag, derer ich mir nicht bewusst bin. Möglich, dass Sie das besser verstehen, wenn Sie alles gehört haben. Denn ich habe Ihnen noch etwas zu erzählen.«
    »Augenblick, vorher möchte ich wissen, an welche unterschwelligen Gründe Sie zum Beispiel denken.«
    »Bei unserem letzten Gespräch habe ich Ihnen erzählt, dass zwischen Ofer und mir, als ich ihn unterrichtete, ein sehr enges Verhältnis entstanden ist und dass ich mich zutiefst mit Ofer und dem, was er im Leben durchgemacht hat, identifiziert habe. Wir sind uns ja bei der Suchaktion am Sabbat begegnet, erinnern Sie sich? Und noch davor, am Donnerstagabend, als Sie gekommen sind, um meine Frau und mich in unserer Wohnung zu befragen, schon da habe ich gespürt, dass ich aktiv an der Suche beteiligt sein möchte, ja dazu verpflichtet bin. Ich wollte Ihnen von Ofers Persönlichkeit erzählen und davon, was ich in ihm erkannt hatte, habe aber gespürt, dass es mir nicht gelingt. Sie hatten es auch sehr eilig an jenem Tag. Es kann auch sein, dass ich befürchtet habe, ich würde keine Gelegenheit mehr finden, mit Ihnen zu sprechen und Ihnen von Ofer zu erzählen, wenn ich nicht von mir aus die Suchmaßnahmen initiieren würde.«
    Avraham unterbrach Seevs Gedankengang und fragte unvermittelt: »Sie haben Frau und Kind, oder?«
    »Sie haben sie doch getroffen. Warum fragen Sie?«
    »Wie alt ist Ihr Sohn?«
    »Er wird bald eins. Aber warum wollen Sie das wissen?«
    Avraham antwortete nicht. Die knappen Fragen des Ermittlers nach Michal und Ilay erzeugten in Seev stärkeres Unbehagen, als es jede andere Frage vermocht hätte.
    Avraham fuhr fort: »Wie lange wohnen Sie schon in einem Haus mit Ofer?«
    »Auch das wissen Sie. Etwas mehr als ein Jahr.«
    »Und in der Schule, in der Sie unterrichten, haben Sie ein eigenes Büro?«
    »Ein eigenes Büro? Es gibt gerade mal ein Lehrerzimmer.«
    »Als Sie Ofer in den Dünen gesehen haben, hat er da seine Tasche dabeigehabt, den schwarzen Rucksack?«
    »Ich habe Ihnen doch gesagt, ich habe ihn nicht gesehen. Bitte glauben Sie mir.«
    Avraham schwieg. Klopfte mit dem Kugelschreiber auf das vor ihm liegende Blatt Papier, suchte Seevs Blick und sagte dann leise: »Ich denke, es gibt noch einen Grund, weshalb Sie bei der Polizei angerufen haben und nun hergekommen sind, um mit mir zu sprechen.«
    Seev sah Avraham mit einem Blick an, in dem keine Furcht lag, nur Neugierde.
    »Welcher Beweggrund?«
    »Genau genommen jagen Sie seit Beginn der Ermittlungen hinter mir her. An dem Tag, als wir unsere Arbeit aufgenommen haben, haben Sie mich aufgefordert, abends noch zu Ihnen in die Wohnung zu kommen, richtig? Und am nächsten Tag haben Sie bei der Polizei angerufen und mitgeteilt, Sie hätten Ofers Leiche gefunden, und dann haben Sie sich den Suchtrupps angeschlossen und sind mir den ganzen Tag nachgelaufen. Noch in derselben Woche haben Sie sich für eine Fortsetzung der

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