Azulamar: Der Erbe von Atlantis (German Edition)
River und strich sich grob das Haar aus dem Gesicht.
»Großer Gott, wo haben Sie sich denn solche Narben und Wunden eingefangen?«, entfuhr es Tom.
»Das sind keine Narben. Es sind Kiemen. Sie geben mir die Möglichkeit, den Sauerstoff aus dem Wasser zu filtern. Mr. Gibbs, ich bitte Sie. Sie haben früher in dem Labor von Mr. Aames gearbeitet. Sie kennen ihn und sie kannten auch meinen Ziehvater, Giles Sullivan.«
»Giles? Das ist Ihr Ziehvater? Ich kannte ihn tatsächlich. Das Meereslabor von Los Angeles, in dem ich früher mal gearbeitet habe … da war Giles auch. Das war aber lange Zeit, bevor Gregory das Labor aufgekauft hat«, erwiderte mein Vater nachdenklich.
Ja, das war das Verblüffende gewesen: Tom hatte einige Jahre im Labor gearbeitet, war dann aber ausgestiegen und hatte sich eine neue Beschäftigung gesucht. Wenige Jahre später hatte Gregory das Labor aufgekauft, und so hatten sich meine Eltern und er durch gemeinsame Bekannte auch erst kennengelernt. Nach der Trennung meiner Eltern hatten Isabel und Gregory Gefallen aneinander gefunden.
Und der Rest ist Geschichte.
»Giles ist in Gefahr, Dad. Gregory will River, verstehst du? Weil er ein Marianer ist. Und weil Gregory glaubt, dass Rivers echter Vater Baltimore seine Frau Angela umgebracht hat, aber das ist nicht wahr und –«
»Okay, okay! Ganz langsam, Ashlyn!«, fiel mir Tom ins Wort. »Ich höre dir ja zu. Aber langsam. Ganz langsam.«
Und ich begann zu erklären. Ich fing vorne an, damit, wie River und ich uns kennengelernt und gehasst hatten, wie es zu dem Unfall kam, wie er mein Leben gerettet und ich mich von ihm angezogen gefühlt hatte. Ich berichtete von dem Hass meiner alten-neuen Clique auf ihn, von den fiesen Plänen Tylers und Erics, von unserer wachsenden Liebe, von Viorev und dem Brandmal auf meiner Hand. Mein Vater hörte gebannt zu, während ich ihm alles über Azulamar erklärte, über die Königsfamilie, die Wassermagier und über Rivers Familie, die Gregory zum Opfer gefallen war.
Meine Erzählung schloss ich damit, dass ich die Geschehnisse des vorangegangenen Abends zusammenfasste. »Und jetzt sind wir hier«, ich atmete aus.
»Wenn das wirklich wahr ist, Ashlyn, dann ist deine Mutter in Gefahr. Isabel ist in Gefahr …«, flüsterte mein Vater. »Wir müssen sie warnen und –« Er hatte sich bereits auf den Weg zum Telefon gemacht, doch ich riss es ihm regelrecht aus der Hand. »Nein! Gregory wird ihr nichts tun! Du darfst ihrauf keinen Fall sagen, wo wir sind, verstehst du? Gregory hat sie mit Sicherheit mit irgendeiner Lüge abgespeist. Sie würde uns nie glauben.«
Mein Dad ließ langsam die Hand sinken und verschränkte die Arme schließlich vor der Brust. »Ich kann das auch nicht wirklich fassen.«
»Aber du wirst uns doch helfen, oder? Du wirst uns nicht verraten? Wir dürfen ein, zwei Tage hier bleiben?«
Zweifelnd sah Tom von River zu mir und ließ schließlich seinen Blick durch den ganzen, unordentlichen Raum schweifen.
Schließlich seufzte er. »Okay, in Ordnung. Ihr könnt hier übernachten, und morgen sehen wir weiter. Aber es ist mir wichtig, dass du Isabel spätestens morgen anrufst, ja?«
Ich nickte und umarmte ihn ungestüm, aber ob ich meine Mutter wirklich anrufen würde – wohl kaum. Ganz gleich, was ich ihr erzählen würde, Gregory hatte sie bestimmt schon so manipuliert, dass es furchtbar klang. Aber das brauchte mein Vater in diesem Moment nicht zu wissen.
»Danke, Dad.«
»Schon gut.«
River und ich tauschten Blicke aus. Ich konnte ihm ansehen, dass auch er sehr, sehr erleichtert war. Den restlichen Abend verbrachten wir mit meinem Vater, wir bestellten was vom Italiener, aßen gemeinsam, und schließlich zogen River und ich uns in das einzige Gästezimmer des Hauses zurück.
Darin befand sich nur ein schmales Bett, und mein Vater hatte sich der Annahme hingegeben, dass River unten auf der Couch schlafen würde. Eine Tatsache, die mich amüsierte. Nein, ich würde es unter Garantie nicht zulassen, dass River und ich diese Nacht in getrennten Zimmern schlafen würden. Ich wollte die Augen erst schließen, wenn ich mir sicher war, dass seine Hand meine auch die nächsten Stunden hindurch festhalten würde.
»Ich bin so erleichtert«, gestand ich ihm oben im Zimmer. (Kein sehr schöner Raum, das sollte vielleicht erwähnt werden: Außer dem alten Bett mit einer eher unbequemen Feldmatratze stand nur noch ein klobiger Holzkleiderschrank darin. Die Tapete war an einigen Stellen
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