Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Babel Gesamtausgabe - Band 1-3

Babel Gesamtausgabe - Band 1-3

Titel: Babel Gesamtausgabe - Band 1-3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Winter
Vom Netzwerk:
mir leid …«
    »Ich hab nicht gesagt, dass du dich rechtfertigen musst.«
    »Du bist ein Engel, weißt du das?«
    »Ja, ein Engel mit Klappmesser im Stiefel.« Sie grinste. »Aber ich gehe davon aus, dass wir das nicht brauchen.«
    Da wäre ich mir nicht so sicher.
    »Also nur ein bisschen altmodische moralische Unterstützung«, stellte Tamy trocken fest.
    Sorg einfach dafür, dass ich nicht länger als fünf Minuten mit ihm allein bin, dann dürften wir sichergehen, dass nichts passiert.
    »Weiß Tom eigentlich davon?«
    »Nein.«
    »Hältst du das für klug?«
    Sie hätte Tamy sagen können, dass nichts dabei war. Dass sie nicht vorhatte, die Sache mit Tom zu gefährden, indem sie sich wieder auf Sam einließ – aber die Wahrheit war, dass sie nicht mal selbst wusste, warum sie Sams Hilfe in Anspruch nahm.
    Stattdessen antwortete sie: »Ich hab dich dabei, das ist klug.«
    Aber Tamy schnaufte, als wäre es das genaue Gegenteil. Möglicherweise hatte sie damit sogar recht, wenn man bedachte, wie wenig sie Sam leiden konnte. Sie waren sich einfach zu ähnlich, und keiner von beiden trat auch nur einen Schritt zurück.
    Babel sah aus dem Fenster, vor dem die Stadt in einem bunten Streifen an ihr vorüberzog. An jeder großen Kreuzung hingen die Plakate für die neuen Hallen des Zoologischen Gartens: Gorillas und Tiger, wohin man sah. Straße für Straße näherten sie sich ihrem Ziel, und als sie den Kanal überquerten und die Luft nach Bracke zu riechen begann, kam Babel das erste Mal seit zwei Jahren in das Viertel, in dem Sam wohnte. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie es gemieden, um ihm nicht aus Versehen über den Weg zu laufen.
    Für eine Weile war sie damit beschäftigt, aus dem Fenster zu sehen. Fasziniert nahm sie die Veränderungen auf, die in der Stadt passiert waren. Verlassene Ladengeschäfte, neue Dönerstände und graffitibeschmierte Fassaden, an denen noch die Farbe von der Sanierung trocknete. Alte Fabrikgebäude verwandelten sich unter dem Anspruch der neuen Zeit in Büros mit blinkenden Fensterfronten, und wer es nicht besser wusste, konnte den Eindruck erhalten, die Stadt sei auf dem aufstrebenden Ast. Dabei war die Arbeitslosenquote so hoch wie nie, genau wie die Kürzungen im Sozialbereich, weil nicht nur die Wasserwerke in einen Bestechungsskandal verwickelt, sondern auch zusätzliche Kosten für städtische Bauunternehmungen völlig aus dem Ruder gelaufen waren. Und seit Jahren stellten die Straßen einen gefährlichen Hindernisparcours dar, weil jeder Winter die Schlaglöcher und Risse noch erweiterte.
    Trotzdem fühlte sich Babel in dieser Stadt wohl. Schon beim ersten Besuch hatte sie die besondere Verbindung gespürt, und das magische Netz dieses Ortes fühlte sich angenehm auf ihrer Haut an. Es war leicht, zu den Energien darin Zugang zu finden. Das war auch ein Grund, warum sie nicht vorhatte, Clarissa das Feld zu überlassen. Wenn eine Hexe erst einmal einen Platz gefunden hatte, der zu ihrem Energiemuster passte, gab sie ihn für gewöhnlich nicht auf, denn die Suche danach gestaltete sich manchmal so schwierig wie die nach dem richtigen Mann.
    Als Tamy langsamer an einer Häuserzeile vorbeifuhr, wusste Babel, dass sie angekommen waren. Tamy zeigte auf ein Gebäude, das sich getrost als Bunker bezeichnen ließ, auch wenn es oberirdisch lag. Es war ein rauer Betonklotz, massiv und uneinnehmbar. Davor standen ein paar Koniferen, die sich bereits gelb färbten, weil ihre Wurzeln in der Erde nicht heimisch geworden waren.
    »Laut Hausnummer ist es das.« Sie parkte am Straßenrand und zog die Handbremse an. Auch den Scary Bitches wurde der Saft abgedreht, und in der plötzlich eingetretenen Stille hörte Babel ihr Herz überlaut klopfen. Bewegungslos saßen sie im Wagen und starrten auf den Klotz, der so ganz seinem Besitzer entsprach. Keine Schnörkel, keine weichen Enden.
    »Du kannst dich nicht immer hinter mir verstecken«, sagte Tamy, aber sie klang nicht unfreundlich.
    »Ich verstecke mich nicht hinter dir.«
    »Wie nennst du das dann?«
    »Eine Sicherheitsleine.« Babel fixierte die Boxhalle, als würde der Teufel darin wohnen. »Hast du schon mal vor etwas Angst gehabt, das du eigentlich nur in deiner Vorstellung kanntest? Du hast immer wieder dran gedacht, und irgendwann hat es sich so aufgebläht, dass du dich kaum noch bewegen konntest vor Angst.«
    »Klingt wie das Leben.«
    Babel nickte. »Mit Sam ist es genauso.«
    »Vielleicht solltest du mal darüber nachdenken, ob du die

Weitere Kostenlose Bücher