Babel Gesamtausgabe - Band 1-3
hätte gern gewusst, ob er mit dem Ombre geredet oder ob die einzige Kommunikation zwischen ihnen aus langen, finsteren Blicken bestanden hatte.
Zielstrebig stellte sich Judith ans Fenster, und sofort flog der Vogel davon. Einen Augenblick lang sah sie ihm nach, bevor sie sich neben Tom auf das Sofa fallen ließ und die Augen schloss. Ihre Hand klopfte so lange gegen sein Knie, bis er den Wink verstand, sich erhob und auf einem der Stühle Platz nahm.
»Dein Energiemuster lenkt mich ab«, erklärte sie knapp, worauf Babel ihm einen entschuldigenden Blick zuwarf.
»Ich sag euch, wenn er etwas Interessantes findet«, murmelte Judith, bevor sie plötzlich das Kinn hob und erfreut lächelte. »Oh, Babel, wusstest du, dass an der Ecke ein neues Café aufgemacht hat?«
»Nein.«
»Doch, doch … Es sieht nett aus … Wir sollten das mal ausprobieren …« Damit verstummte sie wieder und lehnte den Kopf gegen die Lehne. Sie sah beinahe schlafend aus.
Etwas ratlos standen Tom und Babel im Raum. Keiner konnte vorhersagen, wie lange es dauern würde, bis der Vogel eine brauchbare Information übermittelte.
Gerade als sich Auguste in der peinlichen Stille räusperte, klingelte es jedoch an der Haustür, und keine Sekunde später wurden auch schon die Endorphine ausgeschüttet, die die magische Verbindung zu Sam kennzeichneten.
Mit rasendem Herzen versuchte Babel, das Klingeln zu ignorieren. Es hatte ihr gerade noch gefehlt, dass Sam zu dieser Runde hinzukam.
Das Klingeln brach nicht ab.
»Willst du nicht hingehen?«, fragte Auguste irritiert, und auch Tom hob eine Augenbraue.
Die Anzahl der Personen, die durch den Ablenkungszauber, der auf dem Haus lag, hindurchsehen konnten, war ohnehin begrenzt.
Nachdem es ein weiteres Mal geklingelt hatte, gab sich Babel endlich einen Ruck und ging hinaus, vergaß aber nicht, hinter sich die Zimmertür zu schließen.
Vielleicht wurde sie Sam ja los, bevor irgendjemand merkte, dass er hier war. Entschlossen öffnete sie die Tür, bereit, ihn notfalls auch mit Magie vom Grundstück zu vertreiben – und blieb sofort wie erstarrt stehen.
Er sah schlecht aus.
Sein rechtes Auge war zu- und der Kiefer angeschwollen, Oberlippe und Augenbraue aufgeplatzt und das halbe Gesicht grünblau gefärbt. Er hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, das Blut vollständig abzuwischen. Es war aufs T-Shirt getropft und verklebte einige Haarsträhnen. Seine Haltung war eingesunken, als bereite es ihm Schmerzen, aufrecht zu stehen.
»Was ist passiert?«, fragte sie entsetzt. Automatisch hob sie die Hand, um ihn zu berühren, aber er zuckte zurück, und sie ließ die Hand wieder sinken.
Flach atmend und mit glasigem Blick sah er sie an. »Könntest du mich bitte einfach reinlassen?«
Sie warf einen nervösen Blick über die Schulter, trat aber zur Seite und ließ ihn eintreten. Ohne zu fragen, ging er zur Treppe und schlug den Weg nach oben ein. Dabei waren seine Schritte langsam, mit jeder Stufe keuchte er mehr.
Im Schlafzimmer setzte er sich aufs Bett und hob vorsichtig die Beine, bis er in einer liegenden Position war. Atemlos folgte sie ihm, doch auch hier schloss sie die Tür, bevor sie sich neben ihn auf das Bett setzte. Ihre Verbindung machte es einfach, in sein Energienetz einzutauchen, das ihr das ganze Ausmaß seiner Verletzungen zeigte. Sie legte ihm die Hand auf die Brust und spürte unter ihren Fingern seinen beschleunigten Herzschlag.
Als gäbe es keine Barriere zwischen ihnen, ging ihre Magie auf ihn über, strich ihm über die Haut, drang darunter und kroch in seine Krochen. Wie Blut jagte sie durch seinen Körper und fügte das verletzte Gewebe zusammen.
Die äußeren Verletzungen waren nicht das Schlimmste, erkannte sie jetzt. Er hatte innere Blutungen, die sie mit ihrer Magie heilte, und auch eine gebrochene Rippe. Wie er sich überhaupt bis zu ihr geschleppt hatte, war ihr ein Rätsel, aber das hatte er wahrscheinlich seiner Herkunft zu verdanken. Der dämonische Anteil verlieh ihm zusätzliche Kraft.
»Was hast du nur gemacht?«, flüsterte sie, aber er konnte nicht antworten.
Der Schmerz ließ ihn die Zähne zusammenbeißen. Auch für sie war er als dumpfes Pochen unter ihrer Schädeldecke spürbar. Während er langsam heilte, griff die Erschöpfung nach ihr. Die Kraft, die sie auf ihn übertrug, um ihn zu heilen, wurde ihr im gleichen Maß entzogen. Daher hielt sie sich nicht mit oberflächlichen Blessuren auf. Er würde es überleben, wenn er für eine Weile ein
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