Babylon: Thriller
gewesen. Er musste noch immer so etwas wie Gefühle bewahrt haben. Das erkannte ich an seiner bedingungslosen Anhänglichkeit gegenüber Ward und Eris.
Ab und zu hörte ich draußen gedämpfte Geräusche: Schritte, die im Korridor widerhallten, zwei Männer bei einem Gespräch, ein Räuspern. Gespenstisch, solche normalen Geräusche und Laute zu hören, während ich in dieser Zelle gefangen war. Was gewannen sie damit, wenn sie mein Elend weiter in die Länge zogen? Wollten sie mich auf irgendeine Weise zu einem Zusammenbruch treiben, ehe sie jede noch so unwichtige Information aus mir herausholten?
Ich nahm wahr, wie ein Schlüssel im Türschloss gedreht wurde. Shim war mit einem einzigen riesigen Schritt bei mir, drückte mich gegen die Wand und drehte mir die Arme auf den Rücken. Meine Schulter stieß einen stummen Schmerzensschrei aus und mir traten Tränen in die Augen. Ich versuchte mich innerlich für die Folter zu wappnen, die jetzt unweigerlich beginnen würde. Ich war jung und in einigermaßen guter Form. Also würden sie wohl einige Zeit brauchen, bis ich endgültig zusammenbrach.
Die Tür schlug gegen die Wand, als Jacob Ward hereinkam. »Fangen wir an. Sie hatten jetzt genug Zeit, über Ihre Lage nachzudenken. Rücken Sie endlich damit heraus, wohin Tomas verschwunden ist.«
»Zuerst will ich Laurel sehen.«
»Ich dachte, diesen Punkt hätten wir geklärt.«
»Nicht zu meiner Zufriedenheit.«
Ein betäubender Schmerz jagte durch meinen Arm, als Shim ihn hochriss. Ward bedeutete ihm mit einer Geste innezuhalten. »Ich will Ihnen meinen guten Willen beweisen«, sagte er. Er gab Shim ein Zeichen. Die beiden brachten mich aus dem Raum und durch einen Kellerflur in einen ähnlichen Raum, allerdings war dieser mit einem einfachen Bett und einem einzelnen Stuhl möbliert.
Laurel lag auf dem Bett. Eris erhob sich von dem Stuhl neben dem Bett, als ich den Raum betrat.
Ich rannte zu Laurel, die bäuchlings im Bett lag und sich nicht rührte.
»Laurel«, flehte ich, »ich bin’s, John.«
Sie bewegte sich und drehte sich auf die Seite. Ich legte einen Arm um ihre Schultern und half ihr, sich aufzurichten. Sie ließ sich gegen meine Seite sinken, so dass ich sie mit meinem Oberkörper stützte. Ihre Augen waren trübe. Sie blinzelte und starrte mich an, als könnte sie nicht glauben, dass ich tatsächlich bei ihr war. Ich fasste nach ihrer Hand. Sie war kalt und schweißnass. »Bist du es wirklich?«, fragte sie. »Wie bist du hierhergekommen?«
»Sie haben mich hergebracht. Ich wollte nicht mit ihnen reden, ohne dich vorher gesehen zu haben.«
Sie entzog sich mir. »Fass mich nicht an.«
Mir fiel zu spät ein, dass man ihr die Hände gefesselt hatte. »Deine Handgelenke müssen noch ganz wund sein.«
Als sie mich ansah, konnte ich erkennen, wie zornig sie war. »Was hast du denn geglaubt, würdest du damit bewirken, wenn du mich siehst? Du hast mir jetzt alles genommen. Zu wissen, dass du irgendwo da draußen bist, hat mir ein wenig Hoffnung gegeben. Ich wünschte, ich hätte dir niemals die Tür geöffnet bei jenem ersten Mal, als du zu mir kamst, voller Mitgefühl. So besorgt. Um mich wegen Hal zu trösten. Mir zu schwören, dass du mich beschützen willst. Ich kann es nicht einmal ertragen, dich anzusehen.«
Ich wollte ihr erklären, dass sie sich irrte, dass Eris sie wahrscheinlich schon längst getötet hätte, wenn ich nicht so bemüht gewesen wäre, das zu verhindern. Aber sie war nicht in der geistigen Verfassung, zuzuhören und zu verstehen. Hatte ich mich nicht außerdem schon selbst verflucht, weil ich offensichtlich jedem Unglück brachte, um den ich mich glaubte kümmern zu müssen?
Ich stand auf und suchte nach einem letzten Wort, um ihr ein wenig Mut zu machen. »Versuch, bei Kräften zu bleiben, Laurie. Ich werde schon einen Weg finden, um uns hier herauszuholen. Alles, was sie wollen, ist die Schrifttafel.« Ich wollte ihr nicht noch zusätzlich Angst machen, indem ich ihr erzählte, dass Tomas dafür gesorgt hatte, dass wir sie niemals in die Hände kriegen würden.
Sie erschauerte heftig. Und sie hatte noch eine letzte bittere Bemerkung für mich. »Mach dir nichts vor. Wir werden einander nie wiedersehen. Aber das ist eigentlich ein Segen.«
»Sie braucht medizinische Hilfe«, sagte ich zu Eris. »Sie müssen sie freilassen.«
»Ärzte sind hier dünn gesät«, erwiderte Eris. »Es wird Zeit zu gehen.«
Ward und der Spaßvogel warteten draußen vor Laurels behelfsmäßiger
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