Baccara Collection 186
früher her nur zu gut kannte. Nicht nur ein Gefühl, sondern auch ein Instinkt. Eine Warnung. Er wurde beobachtet.
Kein Zweifel. Mathis hatte eine Art sechsten Sinn für Gefahren und außergewöhnliche Vorkommnisse entwickelt.
Ganz bewusst zeigte er keinerlei Reaktion. Dieser heimliche Beobachter, wer immer er auch war, sollte nicht erraten, dass er entdeckt worden war.
Aber wo war er … oder sie?
Während Desiree sich weiter über die Schwierigkeiten bei der Konservierung alter Dokumente ausließ, tat er, als wollte er verschiedene Gegenstände auf dem Schreibtisch zurechtrücken - das Tintenfass aus Messing, die Leselampe mit dem grünen Glasschirm, das Foto eines hoch gewachsenen älteren und sehr distinguiert wirkenden Mannes und eines blonden Mädchens, zweifellos der Colonel mit Desiree.
Dabei blickte er bewusst nicht in die Richtung, aus der er seiner Meinung nach beobachtet wurde. Vielmehr sah er in die andere Richtung zu den spiegelnden Glasscheiben der Bücherschränke. Darin erkannte er die Verbindungstür zum angrenzenden Salon. Sie stand weit offen. Nebenan war niemand. Auch sonst fiel ihm nichts auf.
Doch Mathis kannte sich zu gut. Dieser sechste Sinn stellte sich bei ihm nicht grundlos ein. Das hatte ihm und anderen Menschen mehr als nur einmal das Leben gerettet. Menschen, die mit seiner Familie vertraut waren, behaupteten sogar, dass alle Hazards diese Eigenschaft besaßen.
Oder hatte er sich doch getäuscht? War er in Desirees Nähe vielleicht nicht ganz Herr seiner Sinne? Doch da hörte er ganz in der Nähe ein gedämpftes Geräusch. Desiree sprach noch immer über ihr Lieblingsthema. Sie hatte das Geräusch weder gehört noch verursacht. Von wem also stammte es?
Er ging um den Schreibtisch herum und beugte sich so dicht zu Desiree, dass er ihr ins Ohr flüstern konnte. „Tun Sie, was ich verlange”, hauchte er und küsste ihren Hals.
Sie fühlte, dass etwas nicht in Ordnung war, und blickte höchst besorgt zu ihm hoch.
Mathis legte ihr den Arm um die Taille und senkte die Lippen auf ihre. „Küssen Sie mich!”
Desiree öffnete den Mund, schloss ihn jedoch wieder, ohne ein Wort zu sagen.
„Sofort”, drängte er.
Also reckte sich Desiree Stratford, schlang ihm die Arme um den Nacken und küsste ihn.
6. KAPITEL
„Stürmische, raue, kraftstrotzende Stadt mit -breiten Schultern.” So hatte der Dichter Carl Sandburg Chicago beschrieben.
Diese Beschreibung hätte auch auf Mathis Hazard gepasst, fand Desiree. Er verströmte dieselbe raue Energie, die gleiche Selbstjustiz-Mentalität und die gleiche Kraft, wie sie die Windy City, die „windige Stadt”, in den frühen Jahren ihrer Geschichte besessen hatte.
Vieh und Cowboys, rauchende Waffen und Verbrecher. Chicago war die wildeste Stadt des Mittleren Westens gewesen.
Nach Desirees Einschätzung würden weder die Stadt noch dieser Mann jemals wirklich zivilisiert sein.
Es waren jedoch weder unzivilisiertes Verhalten noch eine impulsive Handlung, die Mathis Hazard dazu trieben, sie zu küssen. Sekunden bevor er ihr den Arm um die Taille legte und ihr seinen Wunsch ins Ohr flüsterte, hatte sie an ihm eine leichte Veränderung bemerkt. Und ihr war allmählich bewusst geworden, dass er aufmerksam lauschte, alles beobachtete und vermutlich nach jemandem Ausschau hielt.
Und dabei war es keineswegs um sie gegangen.
Doch wen suchte Mathis? In diesem Teil des Hotels hielt sich doch niemand außer ihnen beiden auf.
Desiree rief sich in Erinnerung, dass sie ihm vertrauen musste. Dieser Mann besaß sowohl menschliche als auch animalische Instinkte. Nur ein Mensch mit diesen ursprünglichen Fähigkeiten und gleichzeitig einem kühlen Verstand wählte Personenschutz zum Beruf.
Außerdem hatte Mathis deutlich gemacht, dass er der Boss war und das uneingeschränkte Sagen hatte. Seine Befehle erteilte er sicher nicht grundlos und keinesfalls aus einer Laune heraus.
Mit seinen Anordnungen konnte er ihr und auch sein Leben retten. Wenn sie sich dagegen nicht an seine Wünsche hielt, konnte es sie beide das Leben kosten. Auch wenn ein Angriff oder Überfall nicht ganz so dramatisch ablaufen würde, war es trotzdem möglich, dass sie zu Schaden kamen.
Also küsste sie ihn.
Anfangs war ihr vollkommen klar, dass sie nichts weiter als zwei Fremde waren, die einander umarmten. Sie waren ein Mann und eine Frau, die eine Leidenschaft vortäuschten, die sie keinesfalls empfanden.
Aber dann stellte sie schnell fest, dass der Grat zwischen
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