Back to Blood
Fahrer Sanchez und sagte ihm, er solle den Wagen vorfahren. Als sie um 7:20 Uhr in das Rondell vor dem kleinen Rathaus einbogen, wurde er schlagartig noch griesgrämiger. Vor dem Eingang des ehemaligen Pan-Am-Gebäudes wartete schon ein Trupp der sogenannten »Medien« auf ihn, etwa ein Dutzend Männer, angezogen wie Obdachlose, denen aber die Mikrofone und Notizblöcke und vor allem die zwei Ü-Wagen, auf deren Dächern drei Meter hohe Satellitenschüsseln für die Liveübertragung in die Luft ragten, Bedeutung verliehen. Diesmal war der Chief nicht so aufgeräumter Stimmung, als er seinem großen schwarzen Escalade entstieg. Verdammt, ihm blieb nicht mal die Zeit, tief Luft zu holen und seine mächtige schwarze Chief-Brust bis zum Anschlag aufzupumpen, da machte sich die Meute schon wie ein Moskitoschwarm über ihn her. Polizeiübergriff und rassistische Beleidigungen waren die beiden Begriffe, mit denen der brummende Moskitoschwarm ihn piesackte, während er sich seinen Weg ins Rathaus bahnte.
Das hatte ihm gerade noch gefehlt.
In der Fitnessklub-Lounge von Konferenzraum drängelten sich zahlreiche Lakaien des Bürgermeisters: sein Pressesprecher Portuondo und sein Stadtdirektor Bosch, wie neulich … außerdem Hector Carbonell, der Staatsanwalt ::::::Staatsanwalt?:::::: und die beiden grauen Eminenzen Alfredo Cabrillo und Jacque Díaz, zwei Anwälte, die Dio schon seit dem Jurastudium kannte und die er immer hinzuzog, wenn es schwierige Entscheidungen zu treffen galt ::::::schwierige Entscheidungen?:::::: Machte inklusive Bürgermeister sechs. Die gesamte Truppe war kubanisch.
Als der Chief den Raum betrat, gab sich Dio wie üblich als der personifizierte Überschwang. Breites Lächeln und »Aaaah, Chief! Kommen Sie rein! Setzen Sie sich!« Er deutete auf einen Polstersessel. »Sie kennen ja alle … Oder?« Die anderen fünf Kubaner bedachten den Chief mit einem sparsamen Drei unddreißig-Grad-Lächeln. Als sie alle auf den bunt durcheinandergewürfelten Polstersesseln und Lehnstühlen Platz genommen hatten, beschlich den Chief ein komisches Gefühl. Dann fiel ihm auf, dass der Bürgermeister und seine Lakaien in Hufeisenform dasaßen … ein schlampiges Hufeisen, aber ein Hufeisen … und der Chief saß genau in der Mitte zwischen den Schenkeln … mit viel Platz zwischen ihm und dem nächsten Sessel an jeder Seite. Der Bürgermeister saß in einem hohen Lehnstuhl, im Scheitelpunkt des Hufeisens, ihm direkt gegenüber. Die Federn des Sessels, in dem der Chief saß, waren anscheinend nicht mehr die besten, denn er sank so tief ein, dass er kaum über seine Knie hinaussah. Er hatte den Eindruck, als schaute Dio aus seinem Lehnstuhl auf ihn hinunter. Kühl blickte die versammelte Truppe ihn an … von Lächeln keine Spur. Der Chief kam sich vor, als säße er auf einer Anklagebank vor Geschworenen, die ihn mit grimmigen Fratzen taxierten.
»Ich glaube, alle kennen den Grund für unsere Zusammen kunft.« … Der Bürgermeister blickte in die Gesichter seiner Truppe … Alle nickten … Dann schaute er den Chief an.
»Also, was ist los mit diesem Bürschchen, Ihrem Camacho?«, fragte er. »Der Junge tritt ganz allein einen Rassenaufstand los.« Er meinte es ernst. »Wem will er als Nächstes ans Bein pissen? Den Haitianern vielleicht? Ein einfacher Cop, Herrgott noch mal, kein stellvertretender Polizeichef, noch nicht mal ein Captain. Fünfundzwanzig Jahre alt und schon Experte auf dem Gebiet, wie man die halbe Stadt zur Weißglut bringt.«
Der Chief wusste, was als Nächstes kommen würde. Dio würde von ihm verlangen, Camacho zu feuern. Der Chief hatte dieses Gefühl nicht oft … das Gefühl, unsicher zu werden … An guten Tagen brachten sein Selbstbewusstsein und Charisma Dio und seine Kubanerbande aus der Fassung. Er war an Schießereien beteiligt gewesen, hatte echte Feuergefechte bestanden. Er hatte sein Leben riskiert für Polizisten, die unter seinem Kommando standen, darunter auch Kubaner, weiß Gott. Er hatte zwei Tapferkeitsmedaillen verliehen bekommen. Er hatte Ausstrahlung. Von den Kubanern in diesem Raum müssten sich zwei nebeneinanderstellen, um auf seine Schulterbreite … drei, um auf seine Nackenbreite zu kommen … vierzig, vielleicht sogar vierhundert, um die Entschlossenheit aufbringen zu können, mit der er seine Haut für das riskierte, was richtig war … Er war tatsächlich von diesem sechsstöckigen Haus auf eine Matratze gesprungen, die von da oben so groß wie eine Spielkarte
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