Back to Blood
erinnerst du dich noch, damals, da war das Schwein so groß! —:::::: für die zehn oder zwanzig Sekunden, bis die selbst gerechten Pharisäer wieder damit anfingen, ihn mit Gift und Galle zu bespucken … oder er konnte die ganze Versammlung sich selbst überlassen … Yeya, dem Geburtstagskind, schien es offensichtlich nichts auszumachen, ob eine Unperson anwesend war oder nicht. Keine schwierige Entscheidung.
Nestor legte sich in seinem Zimmer für ein Nickerchen aufs Bett. Der einzig halbwegs anständige Schlaf, den er in den letzten vierundzwanzig Stunden bekommen hatte, waren die drei Stunden auf dem um zwanzig Grad nach hinten gekippten Fahrersitz seines Camaros vor Ricky’s Bakery gewesen, als ihn bei laufendem Motor und brummender Klimaanlage das Aroma und der Flockenfall der pastelitos betäubt hatten. Nichts erschien ihm einladender als die Aussicht auf einen be täubenden Schlaf ::::::in der Horizontalen, hier in meinem eige nen Bett:::::: aber die Wendung »hier in meinem eigenen Bett« machte ihn nervös. Er wusste nicht genau, warum, aber es war so. Was bedeutete »mein eigenes Bett« in einem Haus, wo man von drei Menschen als Verräter betrachtet wurde und der vierte freundlicherweise bereit war, einem zu verzeihen, dass man sich gegen sie und die drei anderen und deren Vermächtnis und gegen alle Kinder von Mutter Kuba in Miami, also im Grunde in der ganzen Welt, versündigt hatte? Also lag er da und köchelte in einem Gebräu aus Ablehnung, Stigma und Schuld, wovon das Schlimmste wie immer die Schuld war … aber was hätte er denn tun sollen, dem americano -Sergeant McCorkle in die Augen schauen und sagen, »Nein, ich werde mich nicht an einem kubanischen Parioten vergreifen — obwohl ich nicht den blassesten Schimmer habe, wer das überhaupt ist«, und dann die Entlassung aus der Truppe hinnehmen wie ein Mann? Blubber blubber blubber blubber köchelte das Gebräu vor sich hin, während aus dem Garten die übleren Gerüche des röstenden Schweins zu ihm ins Zimmer wehten, die Gerüche und gelegentlich ein Geheul, das sich ganz nach einem Anschiss anhörte. Die Zeit verstrich so langsam, wie sie noch nie in seinem Leben verstrichen war.
Nach Gott weiß wie langer Zeit hörte er, wie die auserwählten Schweineröster zurück in die casita kamen, wobei sie sich gegenseitig mit Schuldzuweisungen bombardierten, die er zum Glück nicht richtig verstehen konnte. Es war etwa 13:15 Uhr, Yeyas Party würde um 14 Uhr beginnen. Wahrscheinlich wollten sie sich umziehen. Niemand hatte mit ihm auch nur ein Wort über das Fest oder über sonst irgendetwas gesprochen. Warum blieb er überhaupt? Er war sowieso nur noch allen peinlich. Einer der Unseren, der ehedem Unseren, hat sich in eine Schlange verwandelt … aber sich von Yeyas Party zu verdrücken war gleichbedeutend damit, die Familie zu verlassen, alle Brücken abzubrechen, und das konnte er sich nicht vorstellen. Außerdem war das auf kurze Sicht ein weiterer Vorwurf, den sie gegen ihn vorbringen konnten, ein Beweis dafür, wie niederträchtig er geworden war. Er war zu Hause, aber er hat sich nicht mal die Mühe gemacht, Yeya auf ihrer eigenen Party seinen Respekt zu bezeugen.
Etwa eine halbe Stunde später hörte Nestor, wie sich durch den Flur aus dem hinteren Teil der casita ein Hochgeschwindigkeits-rat-tat-tat aus spanischen Wortfetzen näherte. Plötzlich hatte er das beklommene Gefühl, dass sie die Party eröffnet und ihm nicht mal Bescheid gesagt hatten. Jetzt war alles klar. Er war unsichtbar. Was sie anging, war er verschwunden. Nun ja, es gab eine Möglichkeit, sich zweifelsfrei davon zu überzeugen. Er erhob sich von seinem Bett und riss in einem impulsiven, unbedachten Anfall die Tür auf. Kaum drei Meter von ihm entfernt kamen sie auf ihn zu — was für ein Bild!
Sie hatten ihre Partykleidung angelegt. Von Yeyos breiten, aber knochigen Schultern hing wie an einem Kleiderständer eine weiße guayabera, die inzwischen zu groß für ihn war. Sie war so alt, dass die senkrechten Falten auf beiden Seiten seiner Brust schon einen Stich ins Gelbe hatten. Mit dem Ding sah Yeyo aus wie ein Segel, das auf Wind wartete. Was Yeya anging, sie bot den Anblick eines … weiß Gott was. Sie trug eine große weiße Rüschenbluse mit bauschigen Ärmeln, die an den Handgelenken in engen Bündchen endeten. Die Bluse reichte bis zu ihren Hüften und hing über einer weißen Hose. Die Hose — Nestor musste sie einfach anstarren. Es war eine weiße Jeans
Weitere Kostenlose Bücher