Back to Blood
… eine enge weiße Jeans, die an ihren alten Beinen klebte … und auch an ihrem Hinterteil, dessen Umfang für drei Frauen ihrer Größe gereicht hätte … und am unteren Teil ihres Bauches, der unter ihrer Bluse aufquoll — klebte! Aber über alldem thronte die vollendete blaue Haarkugel, die bis auf das Gesicht in einem einzigen Gespinst ihren Kopf um schloss … Dazu die grässlich lippenstiftrote Scharte ihres Mun des und ein kreisrunder Fleck Rouge auf jedem ihrer Backenknochen … was für ein Auftritt.
Als sie Nestor sahen, verstummten sie. Sie schauten ihn an, wie man einen streunenden Hund anschaute, wachsam … und er schaute sie an … und plötzlich machten seine Gefühle eine Kehrtwende um 180 Grad … Der Anblick der beiden Alten, die auf der Party den besten Eindruck machen wollten … der eine sah aus wie ein Segel, das es aus der Biscayne Bay nach Hialeah geweht hatte … die andere mit ihren weißen Wurstpellen wie ein Jeanager, den man per Zeitraffer mal eben um fünfzig, sechzig Jahre älter gemacht hatte … es war so traurig, so mitleiderregend, dass ihr Anblick Nestor rührte. Zwei alte Menschen, die überhaupt nicht hier sein wollten … nicht in diesem Land … nicht in dieser Stadt … geduldet von ihrem Sohn und dessen Frau … ausgeschlossen durch eine fremde Sprache und zum Verzweifeln fremde Sitten … Sie waren auch einmal jung gewesen — obwohl Nestor sie sich nicht jung vorstellen konnte — und hätten sich damals wohl nicht einmal in ihren düstersten Träumen ausmalen können, dass ihr Leben einmal so enden würde … Wie hatte er sie nur so hassen können, wie er es heute Morgen getan hatte — oder, genau genommen, erst vor dreißig Sekunden? Er fühlte sich jetzt schuldig … Er hatte Mitleid mit ihnen … Er war jung und konnte Rückschläge verkraften … sogar so einen wie heute … denn sein Leben begann ja erst … und gleich würde Magdalena kommen.
Er lächelte sie an. »Weißt du was, Yeya? Du siehst großartig aus. Ich meine, wirklich großartig!«
Yeya schaute ihn böse an. »Wo warst du denn heute Morgen?«
Also wirklich, sie fing schon wieder an … Indem sie das du betonte anstatt des warst machte sie deutlich, dass das eigentlich keine Frage war … sondern nur eine weitere kleine Spitze gegen ihn persönlich.
»Und deine guayabera sieht wirklich klasse aus, Yeyo«, sagte Nestor. »Die hast du dir extra schneidern lassen, oder?«
»Du brauchst dich gar nicht so —«
Nestor fiel ihm ins Wort, wenn auch nicht absichtlich. Schuld und Mitleid ließen ihn einfach weiterplappern. »Weißt du was? Die passt genau zu Yeyas Bluse!«
Yeyo neigte den Kopf zur Seite und schaute ihn ebenfalls böse an. Er wollte auch auf ihn einhacken, aber der Bursche schüttete ihn mit Schmeicheleien einfach zu.
Das war gar nicht Nestors Absicht. Sein Herz war voller Mitleid und … Sympathie. Gleich würde Magdalena kommen.
Kurz nach zwei begannen die Gäste einzutrudeln … Kein Wunder, dass Mami ein Hundertpfundschwein bestellt hatte … Mein Gott! Sie rückten in Kompanien … Bataillonen … Horden … ganzen Familienstammbäumen an. Yeya stand zusammen mit Mami in dem kleinen Wohnzimmer. Die Haustür öffnete sich direkt in den Raum. Nestor stand etwas weiter hinten im Zimmer … etwa dreieinhalb, vier Meter von der Tür entfernt. Das würde nicht amüsant werden … jeder einzelne Stammesangehörige gluckte und schäumte und saugte den ganzen köstlichen Tratsch auf … in unserer eigenen Famili e ! … Ich kann einfach nicht glauben, dass der Sohn von Dads Cousin Camilo, Nestor, das wirklich getan hat! … und so fort und so weiter … und weiter und weiter …
Als Erster kamen sein Onkel Pedrito, Mamis ältester Bruder, und seine Familie. Familie? Er kam mit einer gottverdammten Population! … Da waren Onkel Pepe und seine Frau Maria Luisa und Mamis Mutter und Vater, Carmita und Orlando Posada, die bei ihnen wohnen, Onkel Pepes und Marias drei erwachsene Söhne Roberto, Eugenio und Emilio und ihre Tochter Angelina mit ihrem zweiten Mann Paco Pomentel und den fünf Kindern aus deren zwei Ehen, und dann noch Eugenios, Robertos und Emilios Frauen und Kinder und … weiter und weiter …
Die Erwachsenen umarmten und küssten Yeya und veranstalteten auch sonst ein Riesentamtam um sie … Die Kinder ertrugen nuschelnd die nassen Schmatze von Yeyas scharlachroter Scharte von Mund … und sagten sich, »Örggggh! Niemals werde ich so eine alte sabbernde Schabracke« …
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