Back to Paradise (German Edition)
ist stärker, als sie glaubt«, sagt Julio und legt einen Arm um ihre Schulter. »Sie packt das.« Er drückt ihre Schulter und sieht ihr in die Augen. »Du packst das.«
»Du kennst meine Schwester gerade mal drei Tage, Julio.«
»Yeah, und ich kenne sie besser als du.«
Gerade, als ich über diesen lächerlichen Kommentar lachen will, sagt Leah: »Julio hat recht. Ich wollte dir schon seit Ewigkeiten sagen, was ich fühle, aber ich habe es nicht geschafft. Du warst traurig oder wütend oder aufgebracht … und ich hatte Angst davor, dir noch mehr wehzutun.«
Meine Schwester schluckt die Tränen runter, die ihr kommen, und wirft sich in meine Arme. »Es tut mir so leid, was ich dir angetan habe. Julio hat mir erzählt, wie es im Gefängnis für euch war, und es tut mir so unendlich leid.« Sie wischt sich über die Augen und sagt: »Ich denke, wir sollten Dad anrufen und ihn bitten, uns in der Klinik zu treffen. Ob es Mom bewusst ist oder nicht, sie braucht ihren Sohn zurück.«
Eine Stunde später sitze ich im Wartezimmer der New— Horizon- Entzugsklinik. Mein Vater wollte dieses Treffen eigentlich nicht, weil er glaubt, dass meine Mutter noch nicht belastbar genug ist, aber als Leah und ich sagten, wir würden sie mit oder ohne ihn besuchen, hat er sich einverstanden erklärt, uns hier zu treffen.
Eine Frau, auf deren Namensschildchen Rachel steht, begrüßt uns. Dann führt sie uns in einen Gruppentherapieraum, wo wir auf Mom warten. Mir ist steif und unbehaglich zumute, weil wir obligatorische Gruppentherapiesitzungen hatten, während ich im Gefängnis war. Ich muss mir ins Gedächtnis rufen, dass das hier kein Gefängnis ist. Meine Mutter möchte hier sein. Sie könnte jederzeit gehen, wenn sie es wollte, aber sie hat sich entschlossen zu bleiben, weil sie sich nicht zutraut, ohne Medikamente auszukommen, wenn es hart auf hart kommt.
»Du darfst dich gerne setzen, Caleb«, sagt Rachel mit einer sanften Stimme, die mich wahrscheinlich beruhigen soll.
Ich bemühe mich, nicht im Zimmer auf und ab zu tigern wie ein Tier im Käfig, aber ich kann mich nicht setzen, weil sich eine Menge nervöser Energie in mir aufgestaut hat. »Nein, danke.«
Die Stühle sind im Kreis aufgestellt. Dad hat in Anzug und Krawatte auf einem Platz genommen. Meine Schwester hängt überraschenderweise nicht in sich zusammengesunken auf ihrem Stuhl. Sie sitzt aufrecht da und trägt einen entschlossenen Ausdruck zur Schau. Falls Julio derjenige war, der sie dazu gebracht hat, sich diesem Albtraum mit erhobenem Haupt zu stellen, ist er ein verfluchtes Genie.
Leah weiß es noch nicht, aber ich werde sie nicht im Stich lassen. Sie ist nicht die Einzige, die in der Unfallnacht Fehler gemacht hat.
Sobald meine Mutter den Raum in einem grauen Jogginganzug mit dem Schriftzug New Horizon auf der Brust betritt, sehe ich, dass sie sich verändert hat. Ihre Miene ist abgehärmt und ihre Lebensgeister scheinen irgendwie … abhandengekommen.
Mein erster Impuls ist, zu ihr zu gehen und sie zu umarmen, aber die Art, wie sie ihre Hände vor der Brust verschränkt hat, verrät mir, dass sie weder von mir noch jemand anderem im Raum Gefühlsbekundungen möchte.
Mom bleibt wie angewurzelt stehen, als sie sieht, wie ich einen Schritt auf sie zu mache. »Wieso bist du hier?«
Das Blut schießt durch meine Adern, und ich bin so extrem angespannt, dass meine Arme vollkommen starr an meinen Seiten hängen. Das hier ist jetzt schon eine Million Mal schwerer, als ich es mir vorgestellt habe. »Ich bin zurückgekommen. Maggie hat mir erzählt, dass ihr mich braucht. Zuerst habe ich ihr nicht geglaubt …«
»Du hast mich im Stich gelassen. Ein guter Sohn verlässt seine Mutter nicht.«
Ihre Worte treffen mich tief. Oh, Mann, ich hätte niemals gehen dürfen. Ich dachte, es wäre das Beste, dass alles in Ordnung kommt, wenn der Caleb-Faktor die Gleichung nicht mehr beeinträchtigt. Ich lag falsch. Ich habe es geschafft, in so kurzer Zeit so viel zu verbocken.
»Es tut mir leid, Mom.«
Ernüchtert lasse ich mich auf den Stuhl neben meiner Schwester fallen.
»Mir tut es auch leid«, sagt Leah. »Ich muss mich bei jedem in dieser Familie entschuldigen.«
Sie wendet sich mir zu und legt ihre Hand auf mein Knie. Ich lege meine Hand auf ihre.
Ich spüre ihr Zögern und ihre Angst, als wären es meine eigenen Gefühle. Aber ich fühle auch, dass sie entschlossen ist, das Unrecht der Vergangenheit wiedergutzumachen.
»Mom, Dad«, sagt Leah, nachdem ich
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