Backup - Roman
bevor er zur Sache kam. »Wir haben deinen Kommentar zur Modernisierung des Spukhauses gelesen. Dir ist es als Erste aufgefallen, deshalb haben wir uns gefragt, ob du vielleicht vorbeikommen möchtest, um etwas mehr über unsere Pläne zu erfahren.«
Dan zuckte zusammen. »Sie ist ein Schreihals«, flüsterte er.
Reflexartig versuchte ich auf meinem Headmount-Display eine Datei über die Spukhaus-Fans zu öffnen, die wir rekrutieren wollten. Natürlich passierte nichts. Ich hatte es an diesem Morgen schon ein Dutzend Mal probiert und es war kein Ende des Dilemmas in Sicht. Es machte mir allerdings nicht sonderlich viel aus, so wie mich auch alles andere ziemlich kalt ließ, sogar der Knutschfleck, der unter Dans Kragen hervorlugte. Dafür sorgten schon die Stimmungsaufheller des MediPatch, das – auf Anordnung des Arztes – auf meinem Bizeps klebte.
»Gut, prima. Wir stehen am Friedhof der Kuscheltiere, zwei Ensemblemitglieder, beides Männer, in Spukhaus-Kostümen. Wir sind knapp einsachtzig groß und sehen wie dreißig aus. Du kannst uns nicht übersehen.«
Sie übersah uns tatsächlich nicht. Außer Atem, im Laufschritt und völlig aufgekratzt tauchte sie
bei uns auf. Sie sah wie zwanzig aus und trug auch die typische Kleidung einer Zwanzigjährigen: eine flippige Mönchskutte aus umweltverträglichem Stoff, der sich um ihre langen, mit zwei Kniegelenken versehenen Beine schmiegte. Das war zur Zeit der Renner unter den jungen Leuten, einschließlich des Mädchens, das mich erschossen hatte.
Aber die Ähnlichkeit mit meiner Mörderin beschränkte sich auf Kims Kleidung und ihren Körper. Sie hatte kein Designer-Gesicht, sondern eines mit so vielen Unvollkommenheiten, dass es durchaus noch das Gesicht sein mochte, mit dem sie zur Welt gekommen war. Sie hatte auffällig eng stehende Augen und eine breite, leicht abgeplattete Nase.
Ich bewunderte die Art, wie sie sich durch die Menge bewegte, schnell und geduckt, aber ohne jemanden anzurempeln. »Kim«, rief ich, als sie näher kam. »Hier drüben.«
Sie kreischte fröhlich auf und lief auf kürzestem Wege zu uns hinüber. Selbst bei Höchstgeschwindigkeit schlängelte sie sich so geschickt durch die Menge, dass sie mit keiner Person in Berührung kam. Als sie uns erreicht hatte, blieb sie schlagartig stehen und geriet leicht ins Schwanken. »Hi, ich bin Kim«, sagte sie und drückte mir den Arm mit der unbewussten Grobheit eines Menschen, der ein paar Gelenke mehr
als andere hat. »Julius«, stellte ich mich vor und wartete ab, bis sie Dan auf dieselbe Art malträtiert hatte.
»Und?«, fragte sie. »Um was geht’s?«
Ich griff nach ihrer Hand. »Kim, wir haben einen Job für dich, sofern du interessiert bist.«
Mit funkelnden Augen drückte sie meine Hand, schmerzhaft fest. »Ich bin dabei!«
Ich lachte, genau wie Dan. Es war ein für Ensemblemitglieder typisches, höfliches Lachen, aber es verriet unsere Erleichterung. »Ich glaube, ich sollte dir erst mal erklären, um was es überhaupt geht«, sagte ich.
»Schieß los!« Schon wieder drückte sie meine Hand.
Ich ließ ihre Hand los und präsentierte ihr eine Kurzfassung meiner Umbaupläne, wobei ich kein Wort über Debra und ihre Ad-hocs verlor. Kim saugte alle Informationen gierig auf, hob kokett den Kopf und sah mich mit großen Augen an. Mir war nicht ganz wohl dabei, deshalb fragte ich sie schließlich: »Zeichnest du das hier auf?«
Kim wurde rot. »Ich hoffe, ihr habt nichts dagegen! Ich hab gerade ein neues Sammelalbum über das Spukhaus angelegt. Ich besitze eins für jedes Fahrgeschäft im Park, aber das hier wird absolute Spitze!«
Mit so etwas hatte ich nicht gerechnet. Im Park war es tabu, irgendetwas über die Arbeit der Ad-hocs
zu veröffentlichen. Nie war mir in den Sinn gekommen, dass den frisch rekrutierten Ensemblemitgliedern einfallen könnte, jedes Detail aufzuzeichnen und im Netz zugänglich zu machen, um fleißig Woppel-Punkte zu sammeln.
»Ich kann’s auch ausschalten«, erklärte Kim leicht beunruhigt. Allmählich wurde mir klar, wie wichtig das Spukhaus für die Leute war, die wir rekrutierten – welches Privileg wir ihnen hier anboten.
»Lass es laufen«, erwiderte ich. »Die Welt kann ruhig erfahren, wie wir die Sache angehen.«
Durch einen Tunnel führten wir Kim zur Garderobe. Sie war halbnackt, als wir dort ankamen, riss sich die Kleider buchstäblich vom Leib, so sehr freute sie sich darauf, in die Rolle einer Figur zu schlüpfen. Sonya, eine Ad-hoc von Liberty
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