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Bacons Finsternis: Roman (German Edition)

Bacons Finsternis: Roman (German Edition)

Titel: Bacons Finsternis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilfried Steiner
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nicht zu folgen vermochte.
    Ich konnte ein Kichern nicht unterdrücken. Es musste hysterisch geklungen haben, denn Maia zischte mir »Reiß dich zusammen!« ins Ohr.
    Ein Hahnenschrei als Klingelton, war das nicht Blasphemie?
    Zurück im Hotelzimmer, entnahm ich meiner Reiseapotheke ein starkes Antibiotikum, spülte es mit einem Kümmel aus der Minibar hinunter und schlief ein, bevor ich die Schuhe ausziehen konnte.

 
    Elf
     
    Bis zum Mittag des folgenden Tages war mein Fieber so weit abgeklungen, dass ich mich mit Maia auf einen Imbiss im Hotelrestaurant verabreden konnte.
    Durch die breite Fensterfront des Lokals sah man die weißen Segel auf der Alster in der Sonne funkeln. Die Fenster waren schalldicht; lautlose Autokolonnen zogen vorüber. In dem winzigen Garten vor dem Hotel blühte einer dieser violetten Sträucher, die mir schon bei der Anreise aufgefallen waren.
    »Alles wieder in Ordnung?«, fragte Maia und legte mir ihre Hand auf die Stirn.
    »Geht so«, sagte ich. »Ich frage mich, was wir jetzt machen sollen.«
    »Urlaub«, sagte Maia. »Unser Rückflug geht erst in fünf Tagen, schon vergessen?«
    »Sollten wir nicht jemanden informieren?«
    »Wen denn? Die Polizei? Entschuldigen Sie bitte, wir möchten melden, dass uns bei einem Einbruch eine Fälschung in die Hände gefallen ist?«
    »Aber wenn Ribbeck junior die Fälschung bei Sotheby’s versteigern lassen will, ist das Betrug.«
    »Was kümmert’s uns?«, sagte Maia. »Außerdem vermute ich, dass er einen privaten Käufer hat. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er riskiert, das Bild von den Experten bei Sotheby’s begutachten zu lassen.«
    »Denkst du, sie würden die Fälschung erkennen?«
    »Das ist wohl anzunehmen«, sagte Maia. »Wenn selbst wir sie entdeckt haben.«
    »Aber ein privater Verkauf wäre auch Betrug.«
    »Die Frage ist: Weiß Ribbeck wirklich, dass sein Bacon nicht echt ist? Vielleicht hat sein Berater – falls es denn einen gibt – auch keine Ahnung, und der Betrug fand schon statt, als der alte Ribbeck das Bild gekauft hat.«
    »Aber was glaubt Lohmeier? Was hat er vor?«
    »Und was hast du vor?«
    »Ich? Was soll ich vorhaben?«
    »Was gedenkst du an deinem ersten Urlaubstag mit mir zu unternehmen?«

 
    Zwölf
     
    Zwei Tage später wurde ich durch ein lautes Klopfen an der Zimmertür aus dem Schlaf gerissen. Der Wecker zeigte sieben Uhr dreißig. Ich kletterte aus dem Bett, schlüpfte in meinen Bademantel und öffnete die Tür.
    »Hast du schon die Zeitung gelesen?« Maia, in einem minzefarbenen Baumwollkleid, mit offenen Haaren, die Hamburger Morgenpost in der Hand.
    »Nein. Um diese Tageszeit pflege ich noch zu schlafen.«
    »Du wirst gleich hellwach sein«, sagte Maia und warf die Zeitung aufs Hotelbett.
    »Seite 5.«
    Ich setzte mich also folgsam aufs Bett und schlug Seite 5 auf.
    »Dreister Millionen-Kunstraub in Hamburg«, las ich da. »Bacon-Gemälde spurlos verschwunden.« Um mich herum begann sich alles zu drehen. »Aber wir sind doch …«, brachte ich gerade noch heraus.
    »Lies weiter«, befahl Maia.
    Offenbar hatte in der vergangenen Nacht jemand in Ribbecks Speicher eingebrochen und mehrere kleinere Gemälde gestohlen. Das wertvollste war »ein Porträt Lucian Freuds von Francis Bacon«. Der Verfasser des Artikels bezifferte den Schätzwert mit fünfzehn bis zwanzig Millionen Euro. Die Ermittlungen seien voll im Gange, hieß es weiter, bis dato gebe es aber keinerlei Hinweise auf die Täter. Die Versicherung habe auf die groben Sicherheitsmängel des Bilderdepots hingewiesen und das Fehlen einer Alarmanlage kritisiert.
    »Lohmeier«, sagte ich schwach.
    »Ich hab dir ja gesagt, dass es knapp wird«, sagte Maia.
    »Ob Isabel dabei war?«
    Maia zuckte die Achseln. »Fast hätten wir denselben Abend erwischt. Wäre sicher eine interessante Erfahrung gewesen.«
    »Wahrscheinlich wäre ich schreiend davongelaufen. Oder an Ort und Stelle kollabiert.«
    »Dann ist uns ja einiges erspart geblieben«, sagte Maia lachend.
    Ich faltete die Zeitung zusammen und gab sie ihr zurück.
    »Und was jetzt?«
    »Liegt nicht einer deiner Helden hier begraben?«
     
    Wir gingen bei den Landungsbrücken an Bord der Hafenfähre nach Finkenwerder. Maia wollte vorne am Bug stehen. Wir hielten uns an der Reling fest, um dem Fahrtwind zu widerstehen. An Steuerbord zogen die Backsteingebäude des Altonaer Hafens vorbei. Für einen Moment sah ich die roten Sonnenschirme und die weiß gedeckten Tische auf der Terrasse des

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