Bärenmädchen (German Edition)
eines französischen Plantagenbesitzers auf Saint-Domingue gehört. Als es 1791 zum Sklavenaufstand kam, wurde sie angeblich selbst damit zu Tode gepeitscht, hatte ihm Abner erzählt.
Die Dornenkrone aus Silber, die in einer Vitrine am Fenster stand, hatte im 19. Jahrhundert einem italienischen Abt gehört. Seine Lustknaben hatten sie tragen müssen, wenn sie ihm nicht gottgefällig genug zu Diensten waren. Die eingetrockneten braunen Flecken zeugten vom fleißigen Gebrauch.
Von einem Regal hinter Abners Schreibtisch herunter blickten den Besucher Dutzende verschiedener Masken durch leere Augenhöhlen an. Mittelalterliche Schandmasken waren darunter, ebenso moderne SM-Latexmasken und wahrscheinlich das meiste, was findige Folterknechte und kreative Sadisten in den Zeitaltern dazwischen ersonnen hatten,
Abners jüngstes Steckenpferd aber war die Antike. Bei ihrem letzten Treffen hatte er Adrian von einer 2700 Jahre alten etruskischen Grabmalerei vorgeschwärmt. Sie zeigte eine Frau, die beim Liebesspiel gepeitscht wurde. Abner wollte sogar anregen, dass die Organisation eigene Ausgrabungen und archäologische Forschungsprojekte in diese Richtung finanziert.
Innerlich erlaubte sich Adrian ein nachsichtiges Lächeln. Für neue moderne Nachtsichtkameras an der Mauer zwischen innerer und äußerer Zone wäre das Geld seiner Meinung nach besser angelegt gewesen. Er würde es heute bei ihrer allwöchentlichen Besprechung noch einmal vorbringen. Adrian wusste, dass auch sein Vorgesetzter einige wichtige Punkte besprechen wollte. Aber im Augenblick schien er keine Eile zu haben. So schauten sie beide aus dem Fenster, das einen weiten Blick über die Rasenfläche vor dem Schloss bot.
Dort hatten Holly Rüschenberg und ihre drei Zofen-Knaben gerade die zehn Neuzugänge herausgeführt. Brav, Hand in Hand waren sie auf den Rasen marschiert und wurden fast direkt unter Adrian und Abner zum Halt kommandiert. Sein Bärenmädchen marschierte neben ihrer Freundin, dem molligen Rotschopf. Er glaubte zu erkennen, dass Anne besonders aufmerksam beobachtete, was um sie herum vorging. Einmal schaute sie auch zu ihrem Fenster hoch. Aber sie schien Abner und ihn nicht zu bemerken. Vielleicht lag es am Wetter. Die Scheiben waren regennass.
Hatten die zehn neuen Betas gestern ihren „Ferienaufenthalt“ unter einer warmen moldurischen Sommersonne angetreten, mussten sie heute Nachmittag mit bleigrauem Wolkenhimmel und Nieselregen vorlieb nehmen. Die Sonne hatte sich in der Mittagszeit davongestohlen, als hätte sie plötzlich mehr als genug von diesem seltsamen Ort gesehen. Im feinen Sprühregen – typisch für viele moldurische Sommertage, dachte Adrian – klebten die dünnen Trainingsanzüge schnell an den Körpern der Zöglinge. Unbehaglich zupften manche von ihnen immer wieder am durchweichten Stoff über ihren Brüsten oder zwischen ihren Beinen. Ein scharfer Ton von Holly Rüschenberg beendete derartige Zimperlichkeiten.
Dann befahl sie die Mädchen zum Strich. Unbeholfen, aber sehr beflissen – die Peitschen der Knaben spornten sie zweifelsohne zu Höchstleistungen an – stellten sich die Betas vor Holly auf. Ihre markante, aber eher leise Stimme war durch das Fenster nur undeutlich zu verstehen. Aber Adrian hatte sie oft genug bei der Arbeit beobachtet, um ihren Tonfall und ihre Wortwahl genau im Ohr zu haben. Sie war eine Meisterin ihres Faches und Adrian schätzte sie sehr, ebenso wie seinen Vorgesetzten, den Schlossherren Ben Abner. Nach sieben Monaten als Sicherheitschef war er für ihn sogar mehr ein väterlicher Freund als ein Chef.
Dabei hatten der 35-jährige Exsoldat und der 59-jährige studierte Psychologe kaum etwas gemeinsam. Vielleicht waren es gerade diese Unterschiede, die sie zueinander hinzogen. Abner hatte es sich zur Aufgabe gemacht, aus Adrian einen Meister ihrer Passion zu machen. Außerdem – und das war fast noch wichtiger – erklärte er ihm das feine Räderwerk der Organisation Magnus.
Nach dem Tode von Friedrich Magnus vor zehn Jahren leitete ein geheimer Rat aus sieben Personen die Organisation. So hatte es Magnus vor seinem Tod festgelegt. Bis auf einen kleinen Kreis Eingeweihter wusste niemand, wer dem Rat angehörte. Verstarb eines seiner Mitglieder oder schied aus anderen Gründen aus, wählten die anderen ein neues.
Die wenigen Personen, denen die Mitglieder des geheimen Rates bekannt waren, hatten die Aufgabe, die Entscheidungen des Rates umzusetzen. Sie wurden innerhalb der
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