Bahners, Patrick
Gleichberechtigung ausspreche. Solche Vorgaben riefen einen Einwand
hervor, der in der Öffentlichkeit auf besonders starke Resonanz stieß:
Muslimen wurden Einstellungen in Fragen der häuslichen Lebensordnung als
verfassungsfeindlich vorgeworfen, die mindestens in der Wählerschaft der in
Stuttgart regierenden CDU noch weit verbreitet waren und vor gar nicht langer
Zeit sogar die Programmatik der Unionsparteien geprägt hatten. Insbesondere an
die Fragen zur Homosexualität knüpfte ein Scherz an, den sich auch Armin
Laschet, der christdemokratische Integrationsminister von Nordrhein-Westfalen,
nicht verkneifen wollte: Gut, dass Papst Benedikt XVI. die deutsche
Staatsangehörigkeit hat - in Baden-Württemberg wäre er nicht eingebürgert
worden. Dass ein von der CDU geführtes Innenministerium die Selbstdarstellung
der Verfassung auf Geschlechtergleichheit und Antidiskriminierung zuschnitt,
ist ein historisches Datum. Grell dürfte allerdings gar nicht daran gedacht
haben, dass man auch die Hausfrauenehe unter CDU-Stammwählern zum Fall für den
Verfassungsschutz erklären könnte. Wie Rüdiger Wolfrum, Direktor am
Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, in
einem Gutachten im Auftrag der Heidelberger Oberbürgermeisterin Beate Weber
feststellte, ist das Gerüst des Gesprächsleitfadens «die Konstruktion einer hermetisch
geschlossenen fremden Wertordnung». Freiheitlich-demokratische Grundordnung und
Islam stehen sich gegenüber als zwei Wertewelten, die nichts gemein haben.
Ähnliche Verhaltensweisen, selbst ähnliche Präferenzen können dann ganz
Unterschiedliches bedeuten.
Ein Professor aus Kairo
Über die Quellen des Islambildes, von dem sich das
Ministerium bestimmen ließ, gibt die Pressemitteilung vom 14. Dezember 2005 in
aller wünschenswerten Deutlichkeit und Ausführlichkeit Auskunft. Dort wird
erklärt, warum Baden-Württemberg sechs Jahre nach dem Inkrafttreten des neuen
Staatsangehörigkeitsrechts ein eigenes Prüfungsverfahren einführte: In der
Zwischenzeit hätten sich «Erkenntnisse» ergeben, wonach «namentlich Muslime»
bei der Ablegung des Bekenntnisses zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung
«in Konflikte geraten könnten». Dass jeder Muslim mit dem amtlichen Verdacht
der undemokratischen Denkweise belegt wurde, war demnach eine Maßnahme zum
Schutz seines Gewissens! Die Erkenntnisse, auf die das Ministerium sich
stützte, konnte jeder Baden-Württemberger der Zeitung entnehmen. Durch «nahezu
tägliche Presseberichte» erfuhr die Öffentlichkeit, dass «mitten in Deutschland
die Menschenrechte Tausender islamischer Frauen mit Füßen getreten» wurden.
Von den bösen Erfahrungen, die Grell auf jeder Stufe seiner Laufbahn mit der
«desinformativen Berichterstattung» der Journalisten gemacht hatte, konnte er
abstrahieren, wenn es um den Islam ging. In der Ermordung der jungen
Berlinerin Hatun Sürücü am 7. Februar
2005 hatten nach Darstellung der Pressemitteilung «Tendenzen zur Abgrenzung»
der Muslime «von der deutschen Bevölkerung» einen «traurigen Höhepunkt»
erreicht. Wie hängen Morde im Namen einer barbarischen Familienmoral mit der
muslimischen Religion türkischer oder kurdischer Einwanderer zusammen? In
dieser überaus schwierigen Frage übernahm das für Polizei und Verfassungsschutz
zuständige badenwürttembergische Innenministerium die Schuldzuweisung der
Islamkritik. Die «Zweifel, ob bei Muslimen generell davon auszugehen sei, dass
ihr Bekenntnis bei der Einbürgerung auch ihrer tatsächlichen inneren
Einstellung entspreche», begründete das Ministerium mit «Informationen», wie
man sie jenseits der Presse auch in neueren Buchveröffentlichungen finde. Fünf
Autoren werden in der Pressemitteilung genannt: Seyran Ate§, Neda Kelek, Ayaan
Hirsi Ali, Mark A. Gabriel und Bassam Tibi.
Dem allgemeinen Publikum dürfte Mark A. Gabriel am
wenigsten sagen. Er ist der einzige Gewährsmann, der in der Mitteilung des Ministeriums
vorgestellt wird. Der Name sei das «Pseudonym eines ehemaligen islamischen
Imams und Professors an der Al-Azhar-Universität in Kairo». Damit kann in der
Tat noch nicht einmal Bassam Tibi konkurrieren, der emeritierte Professor der
Georg-August-Universität Göttingen und nach eigener Zählung achtzehnfache
Gastprofessor, der zwar den «Euro-Islam» und die «Leitkultur» erfunden hat,
aber nie als Imam tätig gewesen ist, weder als islamischer noch als christlicher.
In Greils Buch nimmt Mark A.
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