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Balla Balla

Balla Balla

Titel: Balla Balla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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trank einen Schluck Bier.
    »Wer kennt die alte Schwuchtel nicht?«
    Wolle lachte und Plotek wunderte sich.
    »Alte Schwuchtel?«
    »Sag bloß, du weißt nicht, dass Wenny...?«
    Wieder zuckte Plotek die Schultern. Wolle schmunzelte und strich sich, fast schon selbstverliebt, seinen Bart.
    »Wenny gehört mittlerweile zum Inventar des Vereins. Der war schon alles. Torwarttrainer, Co-Trainer, Stadionsprecher, Masseur, Zeugwart und bis vor kurzem hat er sich auch um den Nachwuchs gekümmert. Nicht ganz selbstlos, wie gemunkelt wird.«
    Jetzt fing Wolle wieder an, eine dieser großen Zigaretten zu basteln, die Plotek nur aus seiner Jugend kannte und die eindeutig mit verbotenen Substanzen gefüllt werden.
    »Bis vor ein paar Jahren war er noch mit einer Krankenschwester zusammen. Irgendwann muss er dann umgekippt sein. Spätes Coming-out quasi. Gibt es ja oft. Altershomosexualität. Je älter der Mann wird, umso mehr interessiert ihn die gleichgeschlechtliche Jugend. Da spielen dann nur noch proletarische Jungs eine Rolle. Obwohl er das immer abstreitet, der Wenny. Da ist er eben anders als andere, die in jedem Halbsatz mit ihrer sexuellen Ausrichtung hausieren gehen, als ob damit die fehlende fachliche Kompetenz und das menschliche Arschlochsein kompensiert werden müsste.«
    Wolle schleckte mit seiner großen, schlabberigen Zunge am Zigarettenblättchen herum und rollte dann mit seinen dicken Fingern ein Monstrum von einem Joint, der aussah wie ein vollgesogener Tampon.
    »Apropos Sponsoren, Spielervermittler und Dilettanten«, sagte Plotek, um ein wenig von dem Angst machenden Kaliber in Wolles Hand abzulenken, »die haben natürlich ein großes Interesse daran, dass es bei ihren Spielern rund läuft, nicht wahr?«
    Wolle machte eine Miene, als wüsste er nicht genau, ob Plotek das ernst meinte oder ob er sich einen Spaß erlaubte. Er zündete sich den fertigen Joint an. Die Bierhocker sahen verstohlen herüber und schüttelten verhalten den Kopf.
    »Und dafür würden sie alles machen, was?«, hakte Plotek nach.
    »Klar.«
    »Auch Mord?«
    »Man hat den Leuten schon aus banaleren Gründen die Kehlen durchgeschnitten.«
    »Stimmt.«
    »Nur, die eigenen Spieler einen Kopf kürzer zu machen wäre ja völliger Blödsinn«, sagte Wolle und zog kräftig an der verbotenen Substanz, sodass die Spitze glühte, als wäre es eine Glühwürmchenvollversammlung.
    »Stimmt auch wieder.«
    Jetzt erst fiel Plotek die Musik im Hintergrund auf. Oder vielmehr die Stimme. Das war kein Gelang, das war ein schmerzvolles Heulen, ein bitteres Klagen, ein verzweifeltes Jaulen. Wenn man es genau nahm, konnte der Sänger weder richtig singen noch Gitarre spielen. Klavier, vergiss es. Und dennoch klang es einmalig, wie noch niemals zuvor gehört. Katze gepaart mit schreiendem Kind. Oder drogenabhängiger Sufi gekreuzt mit grölendem Autisten beim Blick über die Schulter des Teufels in die Hölle. Oder ins Leben. Schaurig und schön. Schaurig schön. Schön schaurig.
    »Was ist denn das für eine Musik?«, fragte Plotek sich selbst und dann auch Wolle.
    Der dachte nach, zog wieder kräftig am Joint, stieß den Rauch in Richtung Kneipendecke und sah ihm verträumt nach. Er machte den Eindruck, als wüsste er es längst, wollte aber nicht damit herausrücken.
    »Geheimtipp«, sagte er schließlich. »’N Ami, ’ne Art Autist, um die fünfzig, fett, ungepflegt. Wohnt noch immer bei den Eltern. Wenn der auf Tournee geht, ist immer sein Vater mit dabei.«
    Kurze Pause. Dann fuhr Wolle fort: »Vor dem verneigt sich die ganze Musikwelt, aus Hochachtung, Tom Waits, Vic Chesnutt, Kurt Cobain. Alle Großen eben.«
    Wolle beugte sich ein wenig über den Tresen zu Plotek herüber und flüsterte ihm den Namen des fetten, autistischen Amis ins Ohr, als sollte niemand anderes ihn verstehen. Geheimtipp eben.
    Und wieder hörten beide andächtig dieser Stimme zu, die verzweifelt, sanft und melancholisch klang. Wie das Leben, dachte Plotek. Und hätte Wolle Plotek besser gekannt, hätte er gedacht, irgendwie ein bisschen wie Plotek. Wie zur Bestätigung sang der fette Autist: »My life ist starting over again...«
    Plotek wippte verhalten mit dem Bein und Wolle zog wieder am Joint, bis Plotek aus heiterem Himmel fragte: »Und was spielt Ritschi für eine Rolle?«
    Jetzt schwieg Wolle zum ersten Mal etwas länger. Vielleicht lag das ja auch an der einsetzenden Wirkung der verbotenen Substanz. Keine Ahnung. Auf jeden Fall sagte er erst dann was, als Plotek gar

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