Ballade der Liebe
Nacht ist lau, und ich muss auf Papa und Letty warten. Ich weiß, Sie wollen mit mir reden. Könnten wir dabei einen Rundgang durch den Park machen und uns die Einsiedlerklause ansehen?“
Die Nachbildung einer Mönchsklause lag weit hinten zwischen dichten Sträuchern an einem schwach beleuchteten Weg, ein verschwiegener Treffpunkt, wo Liebespärchen ungestört Zärtlichkeiten austauschen konnten. Flynn malte sich aus, wie es wäre, wenn er Rose in die dunkle Felshöhle aus Pappmaschee führte, sie in die Arme nahm, um endlich in einem innigen Kuss von ihr zu kosten.
Er zwang sich, ihr ins Gesicht zu sehen. „Lord Greythorne ist in der Nähe“, sagte er. „Und auch Lord Tanner.“
Ihre Augen blitzten. „Lord Tanner? Davon haben Sie nichts erwähnt.“
„Ich wusste es nicht“, verteidigte er sich. „Er hatte eigentlich eine andere Verabredung, aber ich habe ihn vorhin im Publikum entdeckt. Er ist hier.“ Flynn legte ihr die Hände auf die Schultern. „Bitte, ich möchte Sie dem Marquess vorstellen, damit Sie sich selbst ein Bild von ihm machen können.“
Versonnen blickte sie ihm in die Augen.„Ach, Flynn.“ Sie zögerte einen Moment. „Es ist zu früh“, fuhr sie fort. „Ich meine, ich … ich bin noch nicht bereit, ihn zu treffen.“
Flynn wies mit dem Kopf zur Stiege, die zum Podium führte. „Es ist der Wunsch Ihres Vaters. Der Marquess wird nicht ewig warten, und Greythorne ist nur allzu bereit, an seine Stelle zu treten.“
Ihr Blick wurde ängstlich. „Bitte, geben Sie mir nur noch etwas Zeit.“
Er nickte und wusste, dass es die falsche Entscheidung war.
Tanner würde Rose verwöhnen, ihr die habgierige, unleidliche Miss Dawes vom Hals schaffen, sie aus der muffigen engen Wohnung fortbringen und vor Männern wie Greythorne beschützen. Wenn sie nur bereit wäre, mit dem Marquess eine kurze Unterhaltung zu führen, würde ihr die Entscheidung, seine Mätresse zu werden, sicher nicht mehr schwerfallen. Und danach könnte Flynn sein Leben wieder in die gewohnten Bahnen lenken.
„Ich sorge dafür, dass er Ihnen noch etwas Bedenkzeit gibt“, sagte er gegen seinen Willen und sein besseres Wissen.
„Vielen Dank.“ Sie griff wieder nach seiner Hand. „Wenn Sie mich morgen zum Abendessen besuchen, habe ich meinen Entschluss gefasst. Papa und Letty gehen aus, und ich habe keinen Auftritt.“
Er trat einen Schritt näher. Was sollte ein Tag hin oder her schon ausmachen? Sie hob ihm ihr schönes Gesicht entgegen. Es erschien ihm ganz natürlich, ihren Arm zu streicheln und ihre Hand an die Lippen zu führen. Durch den Handschuh spürte er die Wärme ihrer Finger.
Schließlich ließ er ihre Hand sinken. „Gut, ich besuche Sie morgen.“
„Acht Uhr? Bis dahin sind Papa und Letty aus dem Haus.“
Er nickte und ging zur Tür.
Bevor er sie öffnete, drehte er sich noch einmal um.„Beinahe hätte ich es vergessen. Das soll ich Ihnen geben. Von Lord Tannerton.“ Er zog das kleine Samtetui aus der Innentasche seines Gehrocks.
Abwehrend hob sie die Hand.
„Nehmen Sie das Geschenk an, Rose. Für ihn ist es eine Bagatelle, aber ich finde keine weitere Ausrede, warum ich es Ihnen nicht ausgehändigt habe.“ Er legte das Etui in ihre Hand.
Sie klappte den Deckel auf. Auf schwarzem Samt gebettet, lag ein Goldreif, gekrönt von einem blitzenden Smaragd in einem Kranz winziger Diamanten. „Das ist keine Kleinigkeit, Mr. Flynn“, entgegnete sie und hielt ihm das Geschenk wieder hin.
„Für Lord Tannerton schon.“ Er schloss ihre zarten Finger um das Etui. „Nehmen Sie es an, Rose. Es verpflichtet Sie zu nichts, glauben Sie mir.“ Er hielt seine Hand einen Moment zu lange um ihre Finger gewölbt. „Ich muss gehen.“
Hastig machte er kehrt und riss die Tür auf.
„Gute Nacht, Flynn“, hörte er sie sagen, als er in die Nacht floh.
Adam Vickering, Marquess of Tannerton, soupierte mit seinem Freund Pomroy und einigen anderen eleganten Nachtschwärmern im Separee eines der Pavillons in Vauxhall.
Pomroy schenkte sich ein Glas Arrak ein. „Du scheinst ja völlig vernarrt in sie zu sein, Tanner.“ Er trank einen Schluck und schüttelte sich. „Ich hätte nicht gedacht, dass ausgerechnet du dich von einer Frau am Gängelband führen lässt.“
Tanner leerte sein Glas. „Ich würde mich geschmeichelt fühlen, mich von ihr am Gängelband führen zu lassen, wenn ich nur endlich nah genug an sie herankäme.“ Er verdrehte schwärmerisch die Augen zum Himmel. „Singt sie nicht
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