Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ballaststoff

Ballaststoff

Titel: Ballaststoff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
Vom Netzwerk:
der Alltagsrhythmus einprogrammiert.
    Astrid löffelte Müsli aus einer Schale, Georg trank Tee und aß den fünften Toast mit Butter und der köstlichen Vogelbeerkonfitüre, wie sie nur seine Mutter daheim in Oberfranken herzustellen wusste. Schon lange war er nicht mehr so hungrig gewesen.
    »Ach ja, glaubst du wirklich, ich hab abgenommen?«
    Etwas irritiert sah Georg an sich herunter. Das war schon zum zweiten Mal innerhalb weniger Stunden, dass jemand diese Feststellung traf. Als sie gestern Nacht nebeneinander lagen, hatte Anita ihn auch gefragt, ob er in den letzten Wochen abgenommen hätte. Diese Erkundigung war ihm etwas unangenehm gewesen.
    »Ich weiß nicht. Ich bin schon ewig nicht mehr auf eine Waage gestiegen«, hatte er gesagt, »kann ich mir eigentlich gar nicht vorstellen.«
    »Ich glaube schon«, hatte die junge Rechtsmedizinerin beharrt. »Ich würde sagen, so ungefähr vier Kilo hast du weniger. Glaub mir, in meinem Job hab ich einen Blick dafür.«
    Kurz darauf hatte Anita ihn zur Tür gebracht, ihm einen langen Kuss aufgedrückt und gesagt: »Das schmeckt nach mehr, Herr Kommissar. Bis bald mal wieder!«
    Die Erinnerungen an die vergangene Nacht verursachten bei Georg in diesem Moment sehr zwiespältige Gefühle, und er versuchte, die Bilder aus seinem Kopf zu verdrängen.
    »Dann muss ich mich wohl mal wieder auf die Waage stellen. Dann wissen wir es genau«, sagte er zu seiner Frau. »Aber jetzt muss ich los. Ich bin spät dran.«
    »Wann bis du eigentlich nach Hause gekommen? Ich hab das gar nicht so richtig mitgekriegt. Wie spät war’s denn?«
    »Irgendwas nach Mitternacht.«
    »So lange hat das mit der Rechtsmedizin gedauert?«
    »Na ja, wir waren anschließend noch was zusammen trinken.«
    »Ach so«, nickte Astrid. »Übrigens, die Mädchen sind zu einem Fest mit Übernachtung eingeladen. Wir sind heute Abend allein. Vielleicht magst du ja was kochen für uns?«
    »Klar, mach ich gern. Dann bis heute Abend!«
    Normalerweise hätte Georg diese Aufforderung gefreut, und er hätte Astrid genau nach ihren Wünschen ausgefragt, ob sie auf irgendetwas Spezielles Appetit hätte. Heute kam ihm Derartiges nicht in den Sinn. Er wollte nur weg. Nachdem er die Haustür hinter sich geschlossen hatte, atmete er erst einmal tief durch. Was für eine unangenehme Situation. Und selbstverschuldet. Mit weit ausholenden Schritten lief Georg los. Er passierte die Fußgängerbrücke am Klughafen, hatte keinen Blick für das Spiel der morgendlichen Sonnenstrahlen auf dem Wasser unter einem wolkenlosen Himmelsblau. Er kam sich irgendwie schäbig vor. Wenn ihm klar war, dass es für Astrid und ihn keine Zukunft mehr gab, warum dann dieses Versteckspiel, diese Lügen? Und wenn es ihm immer noch nicht klar war, dann hätte die letzte Nacht eigentlich nicht passieren dürfen. Eigentlich.
    Als er vor dem Hotel, wo der gestrige Abend begonnen hatte, sein Fahrrad aufschloss, fühlte Georg sich so richtig beschissen. Sein ganzes hausgemachtes Beziehungschaos lastete ihm schwer auf der Seele. Er schwang sich auf den Sattel und trat kräftig in die Pedale. Fast freute er sich, als das Behördenhochhaus in Sicht kam. Endlich konnte, ja musste er sich auf andere Dinge konzentrieren. Er passierte Tor eins, parkte sein Fahrrad und gelangte über den Schleichweg neben dem Schießkino ins Treppenhaus. Nach kurzem Überlegen verzichtete er auf den Fahrstuhl und stieg zu Fuß die Treppen zum siebten Stock hoch. Wenn er tatsächlich abgenommen haben sollte, dann war das doch ein Anfang, und er würde weiter daran arbeiten. Zum ersten Mal an diesem Morgen hatte er ein richtig gutes Gefühl.
     
    Der Broccoli gedieh in diesem Sommer prächtig. Heute würde sie einen Broccoliauflauf zu Mittag machen, mit Kartoffeln und schön mit Sahne und Käse überbacken, überlegte Gesche. Es gab häufig Auflauf auf dem Graswurzelhof, in immer neuen Varianten. Zum einen war das ein einfach herstellbares Gericht, auch in den großen Mengen, die hier immer benötigt wurden, zum anderen konnte man hervorragend irgendwelche Reste damit verarbeiten. Manchmal mit Fleisch, manchmal mit Fisch, wenn sie preiswert welchen erstehen konnte. Meist vegetarisch und kostengünstig, waren Aufläufe etwas, das eigentlich immer allen schmeckte. Wenn Svenja heute zum Nachtisch noch eine Quarkspeise mit frischen Früchten machte, war das Mittagessen perfekt. Dann sollte sie ihr am besten gleich Bescheid sagen, entschied Gesche, denn die junge Frau brauchte immer

Weitere Kostenlose Bücher