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Ballnacht in Colston Hall

Ballnacht in Colston Hall

Titel: Ballnacht in Colston Hall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Nichols
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hatte sich vorgenommen, den Earl of Blackwater nur mit einem hochmütigen Nicken zu begrüßen.
    “Euer ergebener Diener.” Ralph Latimer neigte dankend das Haupt. “Darf ich Euch zu Eurer Verlobung gratulieren, Miss Fostyn? Ich hatte neulich Abend keine rechte Gelegenheit dazu.”
    Nur weil Ihr mich gehänselt und Euer Missfallen über meinen Bräutigam zum Ausdruck gebracht habt, dachte Lydia, während sie laut sagte: “Ich danke Euch, Mylord.”
    Der Hausherr wies mit einer weiten Armbewegung auf die Ausstattung des Raumes. “Gefällt es Euch?”
    “Sehr eines Barons würdig”, entgegnete Lydia.
    “Völlig zutreffend.” Ralph nickte. “Die Halle ist zur Ansicht gedacht. Es gibt genug andere Räume, die etwas wohnlicher gestaltet sind.” Plötzlich huschte ein Lächeln über seine Züge. “Oh, ich vergaß ja ganz, dass Ihr hier beinahe zu Hause seid, Mrs Fostyn.”
    “Gewiss, Mylord. Aber es hat sich ja alles unbeschreiblich verändert. Ich hatte die Halle eigentlich als ziemlich düster in Erinnerung.”
    “So schien es mir auch. Aus diesem Grunde habe ich das Fenster vergrößern lassen. Kommt und seht es Euch selbst an.” Er führte seine Gäste zu dem Fenster an dem Treppenabsatz, von welchem man einen herrlichen Blick auf die rückwärtige Seite des Grundstückes und seine weitere Umgebung hatte. Direkt unterhalb lag ein gepflasterter Hof, der von zwei Nebengebäuden flankiert wurde. Ein weiter Torbogen öffnete den Weg in den Hausgarten. Dahinter lag der kunstvoll gestaltete Park. Dann folgte das Moorland und an dessen Ende das Meer, von dem man in der Ferne nur noch einen Schimmer wahrnehmen konnte.
    “Ich stehe gern hier und halte Ausschau”, sagte Ralph.
    “Und wonach haltet Ihr Ausschau?” Lydia fielen sogleich die Schmuggler ein.
    “Oh, ich liebe die immer wechselnden Schatten und Muster der Bäume und Sträucher. Ich beobachte auch gern die Seevögel, die Tiere und die Fischer bei der Arbeit. Wahrscheinlich werde ich ein Fernrohr hier aufstellen, damit ich auch die Sterne am Himmel und die Schiffe draußen auf dem Meer betrachten kann.”
    “Ihr könnt von hier aus die Schiffe erkennen?”, rief Lydia überrascht.
    “Ja, in einer klaren Nacht und mit einem guten Feldstecher.”
    “Aber den Strand kann man von hier aus nicht sehen.”
    “Allerdings”, räumte Ralph lächelnd ein, denn er wusste, dass Lydia jetzt an seine Entschlossenheit, die Schmuggler zu fangen, dachte. Zugleich aber fiel ihm ihr Zusammentreffen bei der Waldhütte ein, und Scham erfasste ihn wegen der Art, in der er das Mädchen damals geküsst hatte. Aber es hatte diese Behandlung verdient und seinen Kuss sogar erwidert – oh ja, nicht ganz freiwillig, denn die Leidenschaft war gegen ihren Willen geweckt worden. Unter günstigeren Bedingungen hätte diese Begegnung eine ganz andersartige Entwicklung nehmen können.
    Diesen Kuss aber würde er trotzdem nicht vergessen. Die Erinnerung daran würde immer wieder kommen als ein Gedenken an etwas, das nicht sein durfte. Ralph blickte auf Lydia herab und hätte ihr gern erklärt, warum es dazu gekommen war und dass er es gern ungeschehen machen würde. Aber sie würde nicht zuhören, und es wäre auch nicht die Wahrheit. Was jedoch war dann die Wahrheit? Er wusste es nicht. Es wurde höchste Zeit, dass er sich zusammennahm.
    “Kommt, Mrs Fostyn”, sagte er freundlich. “Ich möchte Euch noch etwas zeigen. Ich darf doch vorangehen?” Mit einer einladenden Geste wies er auf eine Flügeltür, die dem Fenster genau gegenüber lag. Als sie die Schwelle überschritten, fanden sie sich in einem riesigen Raum wieder, der fast die gesamte Frontbreite des Hauses einnahm. Seine Außenwand wurde in regelmäßigen Abständen von langen, schmalen Fenstern durchbrochen, die mit kostbaren Samtvorhängen dekoriert waren. Vergoldete Stuckverzierungen und sechs schwere silberne Kandelaber schmückten die Decke. Die Tapeten waren in Rot und Gold gehalten, und der Parkettboden glänzte wie ein polierter Spiegel.
    “Der Ballsaal”, erklärte der Hausherr mit sichtlichem Stolz. “Er ist nicht mehr benutzt worden, seit meine Eltern jung verheiratet waren, und sein Zustand erschien nahezu irreparabel.”
    “Er ist einfach hinreißend!”, rief Lydia. “Nicht wahr, Mama?”
    Mrs Fostyn aber schien sie nicht gehört zu haben. Sie stand mit einem träumerischen, halb glücklichen, halb traurigen Lächeln neben der Tür, und in ihren Augen lag ein feuchter Schimmer.
    “Mama, was ist

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