Bamberger Verrat
eine Flucht hin. Er wurde von einem Zeugen beobachtet, wie er gegen dreiundzwanzig Uhr fünfundvierzig Gepäck in seinen Wagen lud und schnell davonfuhr, also wahrscheinlich kurz nach dem Mord. Das macht ihn natürlich zu unserem zweiten Hauptverdächtigen. Er ist bereits zur Fahndung ausgeschrieben. Was haben wir denn inzwischen über ihn herausgefunden?«
Stefanie Brustmann meldete sich wie immer korrekt und bescheiden mit erhobenem Zeigefinger.
»Für diesen Ermittlungsabschnitt war ja ich eingesetzt«, begann sie. »Ich konnte Namen und Adresse seiner Eltern ermitteln.« Sie konsultierte ihre Notizen. »Es sind Hans Kromm und Patricia Baumann-Kromm. Karl-Heinz, genannt Charly, behielt den Mädchennamen seiner Mutter. Die Kromms kamen 1990 nach der Wende aus Thüringen nach Bamberg, wo sie seitdem in einer Wohnung in der SieboldstraÃe leben, also in der Nähe der WattstraÃe. Hans Kromm war bis 1989 Offizier bei der Grenzpolizei der DDR , in Bamberg hat er als Hilfsarbeiter in der Metallwarenfabrik Bühler gearbeitet. 1993 ist er in vorzeitigen Ruhestand gegangen, und 1995 wurde er zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Seitdem steht die Familie nur unter âºBaumannâ¹ im Telefonbuch. Momentan sitzt Hans Kromm wegen Versicherungsbetrugs in Untersuchungshaft im Bamberger Gefängnis. Frau Baumann-Kromm, die erheblich jünger ist als er, ist Arbeiterin bei der Firma Bosch.«
»Und was macht der Sohn beruflich?«
»Er hat nach der mittleren Reife eine Ausbildung als Mechatroniker absolviert und ist im Moment bei der Firma Auto-Gräf beschäftigt.«
»Man sollte dort anrufen und â¦Â«
»Das habe ich bereits getan. Er ist heute Morgen nicht zur Arbeit erschienen, was für ihn offenbar ungewöhnlich ist. Deshalb hat die Sekretärin in seiner Wohnung und bei seiner Mutter angerufen, aber niemanden erreichen können. Und auf seinem Handy meldet sich nur die Mailbox. Ich habe mir die Nummern geben lassen und es seitdem auch schon einige Male vergeblich versucht. Eine Telefonüberwachung habe ich schon beantragt, aber die Standortermittlung hat leider nichts gebracht. Das Handy wurde seit gestern Abend nicht benutzt.«
»Gute Arbeit, Stefanie! Ich werde nachher mal zu der Wohnung von den Kromms fahren. Sieht nicht gut aus für den jungen Baumann.«
Es klopfte kurz, dann betrat Christoph Düsel den Raum, hager, langnasig und nervös, aber unschlagbar in allem, was Waffen betraf.
»Entschuldigt bitte, es ging nicht schneller. Die Spusi hat das Projektil gefunden. Und ich habe es erst identifizieren müssen.«
»Und?«, fragte Werner gespannt.
»Es stammt von einer Makarow Iż -70.« Düsel hielt eine Abbildung der Waffe hoch. »Das ist die Pistole, die bis 1991 in der Sowjetunion die militärische Standard-Seitenwaffe war.«
»Oha!«, machte Werner. »Und was schlieÃen wir daraus?«
»Leider nicht viel«, antwortete Christoph Düsel. »Die Dinger kamen nach dem Zerfall der Sowjetunion massenweise in Umlauf. Es bedeutet lediglich, dass unser Mörder irgendwie Kontakt zur Unterwelt, eventuell Kontakt zur Mafia hat. Die Auftragskiller der Mafia benutzen angeblich gern diese Waffe.«
»Die Mafia?«, fragte Meyer zwo skeptisch. »Ist das nicht etwas sehr weit hergeholt?«
»Von wegen! Schade, dass die Kollegin DiVito noch nicht da ist; sie kann erst morgen kommen. Die hat sich nämlich auf das Thema âºMafia in Deutschlandâ¹ spezialisiert. Ich hab letzthin einen Vortrag von ihr gehört â da wirdâs dir ganz anders!« Christoph Düsel hob nachdrücklich die Stimme. »Die kalabrische âºâNdranghetaâ¹ ist inzwischen in Deutschland fest etabliert, vor allem im Drogengeschäft. Das ist die reichste kriminelle Organisation der Welt. Und sie unterwandert mit ihrem Geld die Wirtschaft, gerade hier in der Bundesrepublik, weil wir diese Gefahr noch nicht recht ernst nehmen und nicht konzentriert was dagegen tun! Weil es zunächst auch gar nicht auffällt. Die Vertreter der Bosse kommen häufig aus gehobenen Gesellschaftsschichten, die erkennst du nicht als Kriminelle. Und die machen die Drecksarbeit natürlich nicht selbst. Dafür stellen sie andere an, in Deutschland häufig Russen. Also, so weit hergeholt scheint mir der Gedanke nicht!«
Als Christoph Düsel sich gesetzt hatte, war es einen Augenblick ganz still
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