Bann der Ewigkeit: Roman (German Edition)
drehte sich um, griff nach der Wand, konnte aber keinen Stein fühlen. Fuchtelnd packte er den ersten Arm, den er erreichte. »Luft. Nach oben. Sofort.«
Die Stimmen um ihn herum lösten sich auf, und er fühlte Therons Hand, die sich um seinen Oberarm schloss. »Zander. Skata! Du siehst nicht gut aus.«
»Luft!«, brüllte er. Sahen sie denn nicht, dass er nicht atmen konnte?
»Nick!«, rief Theron.
»Den Gang runter. Am Ende ist eine Treppe, die führt nach oben. Aber …«
Zander wartete den Rest nicht ab. Auch wenn er sekündlich schwächer wurde, bewegten sich seine Beine, als hinge sein Leben davon ab.
Irgendwie schaffte er es bis an die Oberfläche, stieß die schweren Türen auf und stolperte hinaus auf den Felsüberhang einer großen Schlucht.
Die Türen hinter ihm schlossen sich leise klappend, während er keuchend nach Luft japste. Kiesel knirschten unter seinen Füßen, fielen über den Felsvorsprung und hinab auf den Grund des Canyons, der mindestens eine Meile tiefer lag. Dort mäanderte ein Fluss wie eine sich windende Schlange. Weiter vorn rechts ragten die Berge auf, bedeckt von dichtem Unterholz und spindeldürren Kiefern. Zander nahm die Schönheit der Umgebung nicht wahr, wie er eigentlich überhaupt nichts sah oder hörte als Callias Gesicht, Callias Schreie, Callias Schmerz.
Oh Götter, was hatte er getan?
Er sank auf die Knie, als ihm alles vor den Augen verschwamm. Steine und Zweige piekten ihm in seine Schienbeine und die nackten Füße, was er ebenso wenig mitbekam, weil seine Gedanken zehn Jahre zurück und meilenweit weg waren.
»Verdammte Hera.«
Die Stimme, weiblich und älter, überraschte Zander eigentlich nicht, wie auch? In diesem Moment, in dem nichts in seinem unendlichen Leben mehr von Bedeutung war, ausgenommen die Tatsache, wie gründlich er es vermasselt hatte. Er drehte den Kopf zu einer Gruppe von Findlingen, bei der eine zierliche Frau stand, die ganz in durchsichtiges Weiß gekleidet auf einem der Felsen hockte und auf ihn hinabsah. Ihr Haar war bleich, die Züge scharf, die Haut faltig und dennoch leuchtend. Sie strömte pure Energie aus, jene Sorte Kraft, die er nie besessen hatte, und er wusste sofort, wer sie war.
»Lachesis.«
Sie zog eine Braue hoch. »Warum in aller Welt hältst du mich nicht für Atropos?«
In dem Versuch, trotz aller Schmerzen noch zu atmen und zu denken, blickte er hinab auf die Kiesel. »Atropos würde ihre Zeit nicht an mich verschwenden.«
»Warum nicht?«
Hierauf konnte er nicht antworten. In seinem Kopf rasten die die Gedanken, spielten sämtliche Gespräche noch einmal ab, jeden Moment seit dem Tag, an dem Callia ihm erzählte, dass sie schwanger war.
»Weil du nicht getötet werden kannst?«, fragte die Parze.
Schweigen. Eine knappe Sekunde lang glaubte er, sich alles nur einzubilden, bis sie leise sagte: »Du bist nicht unsterblich, Wächter.«
Lachesis rutschte von dem Findling und stellte sich vor ihn. Grellrosa Pantoffeln lugten unter ihrer fließenden Robe hervor, die lächerlich und zugleich ernüchternd echt aussahen. Wie sein Leben. »Du hast recht. Ich kann deinen Lebensfaden nicht einfach durchschneiden. Ich kann ihn nur spinnen. Aber nicht einmal ich kann sehen, wie lang er wird. Das hängt von zweierlei ab: von ihr und davon, was du jetzt tust.«
Zander hob vorsichtig seinen Kopf, und als die Worte der Parze allmählich bis in seinen Verstand vordrangen, fügten sich eine Menge Einzelteile in eins. Er wäre vielleicht gelähmt gewesen, hätte Callia jene Kugel nicht entfernt. Doch er wusste schon, als er wieder zu sich kam, dass sein Körper an der Heilung arbeitete. Ungeachtet der Umstände, wäre er in der Höhle nicht gestorben. Das einzige andere Mal, dass er sich dem Tode nahe gefühlt hatte, war zehn Jahre her. Da war er allein zu Hause gewesen, unverletzt, und Callia im Menschenreich.
»Sie ist meine Schwäche«, flüsterte er.
Lachesis kniete vor ihm, und obwohl sie ihn nicht berührte, fühlte er die Hitze ihrer Hand, die neben seiner Wange schwebte. »Ein Herz ist nie eine Schwäche, Wächter. Es ist eine Gabe. Ein Segen, den nicht einmal Hera dir versagen kann. Viele Wächter aus deiner Linie hätten sich solch einen Schatz gewünscht. Deine Verwundbarkeit ist nichts, wovor man sich fürchten muss. Sie sollte gewürdigt werden.«
Er schloss die Augen, weil sein Schmerz ihn überkam. Was für ein Schmerz! Und alles wegen ihm? »Ich habe sie verletzt.«
»Ja«, sagte sie leise.
»Wenn ich daran
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