Bann der Ewigkeit: Roman (German Edition)
offenem Mund vor ihr stand, wurde Callia wieder leiser. »Begreifst du nicht? Ich hätte in der Menschenwelt bleiben können, aber ich entschied mich dagegen. Ich wollte nach Hause, zu meinem Vater. Die Reinigungszeremonie …« Sie hob die Hände und ließ sie gleich wieder sinken. »Sie wird nicht mehr praktiziert. Mein Vater ist einer der Zwölf und ich wurde einem künftigen Ältesten versprochen. Meine Beziehung mit Zander …« Sie sah zur Tür und schluckte, weil sie erneut einen Kloß im Hals hatte. »Ich habe meinen Vater verletzt, aber das wirst weder du noch sonst jemand je begreifen.«
Sie sah zu Lena. »Ich wusste von Anfang an, worauf ich mich einließ. Ich traf meine eigenen Entscheidungen. Zander hat seine Fehler, aber er ist nicht wie dein Pappous . Er würde nie willentlich einer Frau wehtun. Und hätte er gewusst, wie ich mich entschied, hätte er niemals erlaubt, dass das geschieht, egal wie er am Ende für mich empfand.«
»Warum dann?«, fragte Lena leise. »Warum hast du zugelassen, dass sie dir das antun?«
Callia senkte den Blick zu ihren Füßen, die fast in dem Teppich versanken. Was sollte sie antworten, das auch bloß einen Funken Sinn ergab? Sie hatte es nicht allein für ihren Vater gemacht, um sein Ansehen wiederherzustellen und seinen Namen im Rat reinzuwaschen. Auch nicht, damit sie am Ende doch noch Loukas heiraten konnte – dieser Gedanke war ihr nicht einmal gekommen. Teils war es für sie selbst gewesen. Ihre Kraft richtete sich ganz auf das Gleichgewicht, die Erhaltung der Ordnung im Körper, aber sie konnte sich nicht selbst heilen. Und so wahnwitzig es auch klingen mochte, physischer Schmerz konnte es. Er tat weh, aber er linderte die Seelenqualen und gab ihr etwas, auf das sie sich konzentrieren konnte. Und irgendwie war es eine Form der Wiedergutmachung gewesen.
»Weil«, sagte sie ruhig, »ich meine eigene Form von Frieden finden musste.« Wieder schüttelte sie den Kopf. »Ich weiß, dass du es nicht verstehen kannst, aber es war nicht seine Schuld. Nichts davon.«
Lena wirkte nach wie vor verständnislos, aber wenigstens lag keine Verachtung mehr in ihrem Blick, als sie Callia ansah. »Ich will dich nur beschützen. So bin ich eben.«
Callia hielt andere stets auf Distanz, weil sie gelernt hatte, Dinge für sich zu behalten, doch diese Frau konnte sie sich als Freundin vorstellen. »Das ist gut so, für eine Heilerin. Nur ist Zander nicht der Feind. Der war er nie.«
»Was ist er dann? Für dich?«
Diese Frage warf Callia aus der Bahn. Er war der Wächter, der ihre Welt auf den Kopf gestellt hatte. Der eine Mann, über den sie niemals hinweggekommen war. Und die Liebe ihres Lebens.
Diese Erkenntnis versetzte ihr einen Stich, weshalb sie den Gedanken sofort verdrängte. Hierin war sie mit den Jahren meisterhaft geworden. »Er ist Zander.«
Lena sah sie eine Weile lang ruhig an, dann seufzte sie: »Ich schätze, das heißt, ich soll bitte nett zu ihm sein.«
Unwillkürlich musste Callia schmunzeln. »Nett nicht unbedingt; nur nicht gemein.«
Lena rollte mit den Augen und ging zur Tür. »Nicht gemein. Zu einem Argonauten. Zwar widerstrebt es mir, doch ich sage ihm, dass er wieder reinkommen darf.« Sie blieb an der Tür stehen. »Ich hätte gern, dass du noch einen Tag bleibst und dich ausruhst. Aber du wirst sowieso tun, was du willst, egal was ich denke.«
»Danke.«
Lena zögerte. »Ich habe deine Welt lange Zeit abgelehnt, und ich bin noch nicht so weit, meine Haltung aufzugeben. Aber eventuell wäre ich bereit, eine andere Seite zu sehen. Vielleicht.« Sie öffnete die Tür. »Ich wünsche dir Glück, Callia.«
Hinter ihr fiel die Tür leise zu. Von draußen waren gedämpfte Stimmen zu hören, Lenas und Zanders. Was sie sagten, konnte Callia nicht verstehen, nur dass es eine kurze Unterhaltung war, bevor sich weiche Schritte entfernten.
Hunderte Fragen wirbelten Callia durch den Kopf, als sie auf dem Bett hockte und versuchte, diesem verrückten Tag einen Sinn abzugewinnen. Lena hatte gesagt, dass er ihr nicht von der Seite gewichen wäre, seit er sie herbrachte. War er jetzt auch fort? Ein kleiner Teil von ihr hoffte es. Ein weit größerer hoffte es nicht.
Götter, sie war völlig durcheinander.
Sie umklammerte die Bettkante und holte tief Luft, was ihren rasenden Puls leider nicht beruhigte. Ein leises Klopfen ließ sie aufschrecken. Erst beim zweiten Mal brachte sie ein »Herein« über die Lippen.
Sechzehntes Kapitel
Callia wurde das Herz
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