Baphomets Bibel
lebte, zumindest aber tief bewusstlos war. Aus der Entfernung war das nicht festzustellen, deshalb musste ich nahe an ihn heran, um ihn zu untersuchen.
Genau das hatte Jaques auch vor.
Ich allerdings hielt ihn zurück. »Nein, noch nicht!«, flüsterte ich.
»Wir können ihm vielleicht helfen.«
»Nur noch eine Minute.« Hier kam es jetzt auch auf unsere Sicherung an. In meinem Gehirn wirbelten die Gedanken und Vermutungen. Mir schoss einfach so viel durch den Kopf, und ich dachte daran, dass diejenigen oder derjenige, der sich dafür verantwortlich gezeigt hatte, noch frei herumlief oder sich in einer guter Deckung befand. Jetzt saß er dort und lauerte darauf, dass wir Fehler machten.
Die Zeit verstrich. Von uns wagte kaum jemand, normal Luft zu holen. Wenn, dann atmeten wir nur durch den offenen Mund ein. Die Stille aber blieb. Sie hatte sich trotzdem verändert, und sie kam mir jetzt wie eine Totenstille vor.
Noch warteten wir ab. Jaques stand dicht neben mir. Ich merkte sein Zittern und flüsterte ihm ins Ohr: »Bleiben Sie auf jeden Fall hier stehen, Jaques.«
»Gut. Aber wo stecken unsere Gegner?«
»Keine Ahnung. Es kann sein, dass sie weitergelaufen sind, nachdem der Küster...«
»Aber sie sind uns nicht entgegengekommen.«
»Das weiß ich. Und genau das ist auch unser Problem, mit dem wir uns beschäftigen müssen.«
In unserer Nähe passierte nichts. Wir hörten keinen fremden Laut, der Misstrauen erweckt hätte. Es tropfte auch kein Wasser von der Decke. Es knackte nichts im Gestein, aber ich war längst nicht so weit, mich sicher zu fühlen.
Da konnte leicht noch etwas nachkommen, und auch der Begriff »Falle« wollte mir nicht aus dem Kopf.
Auf meiner Haut spürte ich ein kaltes Rieseln. Es kribbelte auch auf meiner Kopfhaut, und als ich mich nach vorn bewegte, hielt ich meine Lampe vom Körper weg.
Der Lichtstrahl zerschnitt nach wie vor die Dunkelheit. Er war das helle Messer, das nur leicht zitterte, als es sein Ziel gefunden hatte. Es war die Gestalt unter dem steinernen Dach, die sich noch immer nicht bewegte.
Ich blieb neben ihr stehen. Noch einmal leuchtete ich in die Runde, ohne eine fremde Person zu entdecken. Danach ließ ich mich langsam in die Hocke sinken.
Der Körper hatte sich zusammengekrümmt. Oder war so drapiert worden. Ich strahlte direkt in das Gesicht, nachdem ich den Kopf etwas zur Seite gerückt hatte.
Drei Fingerkuppen der rechten Hand waren feucht. Unter dem Kinn hatte ich in die blutige Wunde gefasst und sah erst jetzt im Lichtschein die Kehle des Toten.
Der Anblick war grausam. Aber er zeigte mir auch, dass der Mann nicht mehr lebte. Danach beschäftigte ich mich mit seinem Gesicht. Dort sah ich den leeren Blick seiner Augen. Aus ihnen war alles Leben entwichen.
Hier hatte ein Killer gewütet. Ein Tier oder was auch immer. Ich bekam einen rasenden Zorn auf den mir noch unbekannten Täter und überlegte, wen Ives getroffen haben könnte.
Da er tot war, musste ich davon ausgehen, dass die andere Seite die Baphomet-Bibel in die Hände bekommen hatte, und das war ebenfalls fatal.
Noch mal schaute ich mir die Kehle an, obwohl das wirklich keinen Spaß machte.
Das ausgetretene Blut war auf der Oberfläche noch nicht getrocknet. Es hatte sich auch keine Haut gebildet. Die Bluttat konnte noch nicht lange zurückliegen.
Wo steckten dann der oder die Täter?
Begegnet war uns niemand. Da ich die Täter auch nicht hier gesehen hatte, musste es noch eine andere Möglichkeit geben. Es konnte sein, dass wir hier einen zweiten Ausgang fanden. Aber dafür brauchte ich einen besseren Überblick.
»John...«
Die Stimme des Pfarrers floss mir wie ein Hauch entgegen.
Ich drehte mich und leuchtete in seine Richtung. Ich wollte ihn nicht blenden, so ließ ich sein Gesicht im Dunkeln.
»Was ist mit Ives?«
Vor dem Sprechen räusperte ich mich. »Wenn es Ives tatsächlich ist, dann lebt er nicht mehr. Man hat ihm die Kehle durchgeschnitten. Es... es... tut mir Leid.«
Jaques antwortete nicht. Er senkte nur den Kopf. Dann sah ich, wie es ihn schüttelte. Es war ein Schluchzen, kurz und trocken. Dann holte er mit zurückgelegtem Kopf tief Atem.
»Ich begreife es nicht. Ich begreife so vieles nicht. Aber ich weiß, dass ich Schuld bin.«
»Nein, das sind Sie nicht.«
»Doch, das bin ich. Ich hätte schneller reagieren können. Aber ich bin auch nur ein Mensch.«
Ich konnte die Trauer des Mannes förmlich fühlen, und noch immer rannen seine Tränen.
Niemand konnte
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