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Barbarendämmerung: Roman (German Edition)

Barbarendämmerung: Roman (German Edition)

Titel: Barbarendämmerung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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mit einem Fingerschnippen die Aufmerksamkeit des großen Mannes einzufangen. Der schien abgelenkt von den Geräuschen und Sehenswürdigkeiten der schummrigen Taverne. Besonders eines der drallen Schankmädchen hatte es ihm offenbar angetan. Der fette Kaufmann schnippte erneut. Jetzt richtete der Große seinen grauen Blick auf den Fetten.
    »Kannst du mir ein Zeichen geben, ob du mich verstehen kannst? Ich will jetzt nämlich nicht gerne eine halbe Stunde reden, nur um hinterher herauszufinden, dass du meine Sprache nicht beherrschst.«
    Der Große blickte ihn ruhig an und nickte dann. Die beiden goldenen Ohrringe verliehen ihm eine seltsam affektierte Aura, aber sein narbiger nackter Oberkörper stand in außerordentlichem Kontrast dazu.
    »Sehr gut, mein Freund, sehr gut.« Der Fette lächelte. Auf seiner Oberlippe glänzte ein Schweißfilm wie ein Schnurrbart aus Öl. »Sobald ich dich erblickt habe, hab ich zu meinem guten Freund Eurese gesagt: ›Eurese, das könnte unser Mann sein! Sieh, wie er würdevoll auf diesem Fuchs reitet. Jeder Zoll ein Kriegshandwerker, habe ich nicht recht?‹ Stimmt es nicht, Eurese, dass ich das gesagt habe?«
    Eurese, der nicht mit am Tisch saß, sondern an einer Säule lungerte, um den Überblick zu behalten, schien selbst ein Kriegshandwerker zu sein. Jedenfalls erweckten das Breitschwert an seiner Seite, die großen, sehnigen Hände und die hässliche Kerbe im kahl geschorenen Kopf diesen Eindruck. Eurese nickte genauso schweigsam wie der riesenhafte Wilde mit den Ohrringen.
    Der Fette neigte sich vor, was nicht einfach war, weil sein Wanst bereits die Tischplatte einfasste wie ein Krebs mit seinen Scheren. »Greif zu, mein Junge! Iss und trink! Das geht alles auf meine Rechnung, egal, ob du dich nun entscheidest, für mich zu arbeiten, oder nicht.«
    Der Große ließ sich das nicht zweimal sagen. Er griff sich ein gebratenes Hähnchen, riss es in zwei Teile und stopfte sich einen großen Fetzen Brustfleisch in den Mund. Der Händler musste zurückweichen, um nicht von Fettspritzern getroffen zu werden, lehnte sich aber gleich darauf wieder nach vorne. Für einen Sitzenden war er erstaunlich behände.
    »Ich mag es, dass du nicht viel redest, Junge. Das kann ich nämlich brauchen. Einen, der nicht so viel quatscht. Bist du auch so schweigsam, wenn du etwas getrunken hast?«
    Der Große nahm sich den Bierkrug, stürzte sich den Inhalt, obwohl sein Mund noch voller Fleisch war, den Rachen hinab, stellte den leeren Krug ab und schwieg. Nicht einmal ein Rülpser. Der Fette war entzückt.
    »Du bist der Richtige! Ich wusste es! Habe ich es nicht gesagt, Eurese? Ich habe es gesagt! Wenn du dich geschickt anstellst, mein Junge, können wir mehrmals ins Geschäft kommen. Jemanden wie dich kann ich immer brauchen. Mein Name ist übrigens Tleck. Und deiner?«
    Der Große aß weiter und schwieg. Wie er das Huhn zerkaute, sah es aus, als würde er keinen Unterschied zwischen Fleisch und Knochen machen.
    »Na, tut auch nichts zur Sache. Brauch ich ja auch nicht zu wissen. Gute Antwort übrigens, hehehe. Du bist auf Zack, mein Sohn, das weiß ich zu schätzen. Sag mal« – Tleck lehnte sich noch weiter vor, und ein Teil des Tisches sah zwischen seinen Bauchfalten aus, wie von einem Riesenraubfisch abgebissen –, »bist du schon mal wo eingestiegen?« Tleck zwinkerte. »In ein Haus? Das dir nicht gehörte?«
    Durch die Augen des Großen huschte ein Lächeln oder zumindest ein Wiedererkennen. Er nickte und deutete auf seinen leeren Humpen. Tleck bestellte ein weiteres Bier und achtete dabei darauf, dass er bei ebender Schankmaid bestellte, die dem Wilden so zu gefallen schien. »Hast du also schon mal gemacht, ja? Sehr gut. Genau so jemanden kann ich nämlich heute Nacht brauchen. Der Inhaber des Häuschens wird nicht zu Hause sein. Und ich will etwas haben, was in dem Häuschen ist, kannst du mir folgen? Du fragst dich vielleicht, ob ich ein bisschen dämlich bin, wenn die Sache heute schon steigen soll und ich erst jetzt auf der Suche bin nach jemandem, der das für mich erledigen kann, aber ich verrate dir, dass das alles ganz anders geplant gewesen ist und der Mann, den wir ursprünglich vorgesehen hatten, plötzlich, nun ja, unpässlich wurde, sodass ich mich nun in der peinlichen Situation wiederfinde, verhältnismäßig kurzfristig einen Ersatz finden zu müssen. Kannst du mir folgen?«
    Der Essende zögerte diesmal etwas, nickte dann aber.
    »Gut. Das Entscheidende ist ja auch nur:

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