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Barbarendämmerung: Roman (German Edition)

Barbarendämmerung: Roman (German Edition)

Titel: Barbarendämmerung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Himmel langte herab, vereinigte sich mit der Wüste aus Wasser, verunreinigte sich und zog sich wieder in sein Schneckenhaus zurück. Regen tropfte nur noch von fernen Bäumen.
    Ein Steg, der durch erschöpftes Wasser führt.
    Das Licht ein milchiger Puls, wie Trommeln wütend in Schädel und Gebein.
    Die Luft erfüllt von schwebenden Tieren und verlorenem Blau.
    Ein Rumoren von oben, ein fernes Gewitter.
    Auf dem Knüppeldamm die Gewissheit, dass kein Lebender hier jemals querte, ohne dem Tod begegnet zu sein.

DeMüTiGeN
     
    Die Berge waren so hoch, dass sie unglaubwürdig aussahen.
    An ihren Flanken glitzerte Schnee, während unten im Tal Sommer herrschte.
    Wie eine Krone ragte dieses Gebirge empor, karge Spitzen, von wütend nachdrängenden Zacken aufwärtsgeschoben, immer weiter aufwärts bis hinauf in den Himmel. Kälte hauchte dort. Das bläuliche Eis von Göttern. Und hier unten, in den Tälern, tanzten die Bienen, und die Vögel zwitscherten sich gegenseitig zu, wie herrlich der Tag sei.
    Der Barbar konnte das Dorf schon von Weitem sehen.
    Es trug einen Namen, ausgestellt auf einem Schild, aber er konnte diesen Namen nicht lesen. Er sah nur den Vogelkot, der an dem Schild silbrige Zapfen bildete.
    Die Häuser duckten sich, von stumpfen Flechten überzogen, dunkelgrau und schwarz unter das Panorama der Berge. Leicht brennbares Holz. Einige der Dächer sogar mit Reet gedeckt. Ein anfachender Wind. Das ganze Dorf ein Zunderkorb.
    Er näherte sich langsam, das Schwert des Hauptmanns über der Schulter. Drei Gestalten schälten sich aus den Umrissen des Dorfes und kamen auf ihn zu, in einer eigenartigen Gangart, halb hüpfend, halb torkelnd.
    Es waren Geißler. Sie waren dürr wie die Toten der Sümpfe. Verschorfte Striemen durchzogen selbst ihre Gesichter wie Krakelei, und die blutigen Knotenschnüre hingen ihnen über die gemarterten Schultern wie dem Barbaren das Schwert. Schon von Weitem riefen sie ihn an. Sie waren geschwätziger als die Toten der Sümpfe.
    »Du bist durch das Moor gekommen? Keiner ist je durch das Moor gekommen! Alle, die uns finden, nahmen den Weg unter den Bergen.«
    »Du kannst bei uns Wasser bekommen, Wasser und Nahrung und ein Dach für einige Nächte, aber du musst etwas für uns tun.«
    »Ja, für uns tun. Wir haben einen Gott für dich! Einen leibhaftigen Gott!«
    »Hast du schon einmal einen Gott erschlagen?«
    »Tu es für uns. Du siehst wie ein Krieger aus. Dir könnte es gelingen. Uns allen hier missglückte es.«
    »Jetzt beten wir nur noch und tun Buße, aber was nützt schon das Beten angesichts eines leibhaftigen Gottes?«
    »Du suchst ihn mit deinen Augen und kannst ihn nicht finden? Dort oben ist er, dort oben!« Die Geißler deuteten alle drei in das Gebirge hinauf, aber nicht irgendwohin, sondern die Linien ihrer ausgemergelten Finger kreuzten sich an einem Punkt weit oben, der wie eine natürliche Steinbrücke über einer Schlucht aussah. Ein Bogen, geformt aus ineinander verkeiltem Geröll. »Dort hat er sein Lager, der Gott. Wo das Atmen schon anfängt, zur Beschwerde zu werden.«
    »Ein Gott. Ein leibhaftiger Gott!«
    »Du könntest das schaffen, ja!«
    »Uns allen hier missglückte es.« Traurig ließen sie ihre Schultern hängen, nahmen ihre vielschwänzigen Peitschen auf und geißelten sich einmal, quer über ihre Hinterköpfe.
    Der Barbar schob sich zwischen ihnen hindurch und ging weiter auf das Dorf zu. Die drei Geißler folgten ihm. Ihn dürstete nach dem kühlen Wasser eines Brunnens. Sein Wasserschlauch war schlaff wie ein totes Tier.
    In das Dorf kam Bewegung. Man rief sich zu, dass ein Krieger nahte.
    »Kommt er vom Gott?«, fragte einige.
    »Nein, aus Richtung des Moores«, antworteten andere.
    Man rannte hin und her. Schließlich formierte sich eine Art Delegation, angeführt vom Dorfältesten, der so klapperig war, dass er von zwei Jüngeren gestützt werden musste.
    »Wir kennen ihn schon, er kommt friedlich«, schnatterten die Geißler.
    »Er spricht nicht viel, aber er kann kämpfen, das kann jeder sehen.«
    »Er hat nicht Nein gesagt. Zumindest nicht Nein gesagt.«
    »Aber vielleicht wird er schon vorher etwas zu trinken und zu essen brauchen.«
    Die Häuser rochen nach Rauch, Bienenwachs, Pökelfleisch und Marmelade. Zwischen einigen hing Wäsche zum Trocknen. Der Barbar verzog angesichts der Delegation geringschätzig den Mund. Jetzt würde man wieder von ihm erwarten, dass er sprach. Er hasste es, wenn man von ihm erwartete, dass er

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