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Barbarendämmerung: Roman (German Edition)

Barbarendämmerung: Roman (German Edition)

Titel: Barbarendämmerung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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als auf dich herabzuschauen.«
    »Aber Setepenre! Liebst du mich denn gar nicht? Ich liebe dich! Wie von Sinnen!«
    »Ich liebe dich auch. Und ich möchte dich weiterlieben. Es gibt nichts, was ich mir mehr wünsche auf dieser Welt. Also ermögliche es mir, ich flehe dich an!« Und sie machte tatsächlich die Gebärde des Bittens.
    Valenzio war vernichtet. Mit hängendem Kopf und zusätzlich hängenden Schultern schlurfte er unter Deck und erschien wieder mit einem verzierten Schwert, das im Vergleich zu dem des Hauptmanns ein Zuckerbackwerk war, das jedoch seinen Zweck zumindest vorerst durchaus erfüllen mochte. Die ganze Zeit über hatte der Sklave mit dem Speer den Barbaren nicht aus den Augen gelassen und den Speer weiterhin erhoben. Der andere mit dem Seil sah aus, als ob er sich überlegte, entweder ins Wasser zu springen oder sich mit dem Seil an der Reling zu erhängen.
    Setepenre war jetzt wieder neunzehn. Sie nagte sogar aufgeregt an ihren Fingernägeln.
    Der Barbar ging an ihr vorbei und hob den Speer auf, den der mit dem Seil vorhin fallen gelassen hatte. Er hatte nun zwei, einen halben und einen ganzen. Gegen zweieinhalb Gegner würde er zwei Waffen gut brauchen können. Als er an Setepenre vorüber wieder zur Reling zurückging, atmete er ihren Duft. Lilafarbene Blumen, teures Körperöl und rolliges Raubkatzenweibchen. Er wollte die Reling im Rücken haben, um nicht umzingelt werden zu können. Borrs Leichnam gab ihm zusätzlichen Schutz gegen Nahangriffe von links.
    Der Sklave mit dem Speer trat an Valenzios Seite. Valenzio wiederum befahl mit belegter Stimme dem Sklaven mit dem Seil, sich zu ihnen zu stellen.
    »Er hat meinen Speer genommen«, beklagte sich der Sklave weinerlich.
    »Dann kämpfe mit dem Seil, du Versager. Und wehe, du strengst dich nicht an, dann lasse ich dich zu Tode peitschen, wenn alles vorbei ist.« Im Herunterputzen eines Unterlegenen richtete Valenzio sich wieder auf.
    Setepenre hüpfte vor Vorfreude.
    »Senatorssohn Valenzio, bedenkt doch noch einmal …«, wollte einer der älteren Gäste beginnen, mit Valenzio zu räsonieren, doch dieser schnitt ihm, nun gefasster, mit barscher Schwertgeste das Wort ab. »Genug jetzt. Genug der Worte. Ihr habt alle gesehen, was sich hier ereignet hat. Dieser Mann hat unbefugt mein Fest gestört und Blut vergossen. Obwohl ich mich schon eigens vom Land entfernte, in dem eine engstirnige öffentliche Moral herrscht, die wir alle als unerträgliche Bedrückung empfinden, drang er in meine Kreise ein. Mir scheint, man ist vor Nachstellungen nirgends mehr sicher in dieser unruhigen Zeit. Also werde ich jetzt ein Exempel statuieren – ich, Valenzio Letiansi aus dem Geschlecht der Südbringenden Letiansiden, werde den Übertreter unserer selbst auferlegten Regeln eigenhändig zur Verantwortung ziehen, indem ich ihm den Garaus mache und seinen Leib dem See zurückgebe, der ihn so offensichtlich ausgespien.«
    Die Mädchen, die sich wieder einigermaßen gefasst hatten, machten »Hach!« und »Mein Held!«. Die anderen weinten, bebten oder erbrachen sich erstaunlicherweise noch immer. Die Gäste waren unruhig und hatten sich in einem einzigen Zelt versammelt, um eine Flucht zu planen, eine Meuterei, einen Ausweg, falls der Barbar gewinnen sollte, einen angemessenen Fortgang der Orgie und eine Belohnung für den blonden Recken Valenzio, falls dieser dafür sorgte, dass alles sich als dunkler Spuk erwies.
    Valenzio betrachtete Setepenre. Wohlgefallen und Lüsternheit mischten sich in seine Wut und seine Enttäuschung. »Für dich, mein Juwel«, sagte er und tippte sich die Schwertklinge gegen die Stirn.
    »Für dich, mein Schatz, mein Herz und alles andere!«, erwiderte sie lachend.
    Der Barbar stellte sich auf, den Kopf leicht gesenkt. Seine immer noch nassen Haare mit der einzelnen Laufvogelfeder darin verbargen seinen Gesichtsausdruck, aber es war nicht auszuschließen, dass er ein wenig lächelte. Den langen Speer hielt er in der Rechten, den halbierten in der linken Armbeuge.
    »Auf ihn!«, schrie Valenzio mit plötzlich zur Hässlichkeit verzerrtem Gesicht. Er machte einen Ausfallschritt nach vorne, verhielt dann, weil der Sklave mit dem Seil noch zögerte, kehrte zurück, trat dem Sklaven wutschnaubend und mit noch hässlicherer Miene in den Hintern, dieser schrie und stürzte sich in sinnlosem Übereifer mitten in den halbierten Speer hinein, und während er verendete, deckte Valenzio den Barbaren mit wilden Schwertstreichen ein. Der Barbar

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