Bartimäus 02 - Das Auge des Golem
Jahre alt.
Er schnipste einen Käfer von einem Grashalm. »Sie behauptet, die Krähen seien Geister, Diener der Zauberer. In Krähen verwandeln sich Geister am liebsten, sagt sie. Das hat sie alles von ihrer Mama, die damals aus Prag nach England eingewandert ist. Oma kann’s auch nicht leiden, wenn man nachts das Fenster auflässt, ganz egal wie heiß es drinnen ist.« Er imitierte eine zittrige Altfrauenstimme: »›Mach zu, Junge, sonst kommen die Dämonen rein!‹ Solches Zeug erzählt sie andauernd.«
Kitty runzelte die Stirn. »Du glaubst wohl nicht an Dämonen?«
»Natürlich glaub ich dran! Woher haben die Zauberer sonst ihre Macht? Das steht alles in den Zauberbüchern, die sie uns zum Binden oder Drucken bringen. Darum geht’s doch bei der ganzen Magie. Die Zauberer verkaufen den Dämonen ihre Seele und dafür helfen die ihnen dann – jedenfalls wenn sie ihre Zaubersprüche richtig aufsagen. Wenn nicht, werden sie von den Dämonen umgebracht. Wer will da schon Zauberer sein? Ich nicht, nicht für alle Reichtümer der Welt.«
Kitty lag eine Zeit lang stumm auf dem Rücken und schaute in die Wolken. Dann kam ihr ein Gedanke. »Hab ich das jetzt richtig verstanden…«, setzte sie an, »…wenn dein Papa und davor sein Papa schon immer Bücher für die Zauberer hergestellt haben, dann haben sie doch dabei jede Menge Zaubersprüche zu lesen bekommen, oder? Da müssten sie doch eigentlich…«
»Schon kapiert. Sie haben bestimmt einiges mitgekriegt… jedenfalls genug, um die Finger davon zu lassen. Außerdem ist das meiste in komischen Sprachen aufgeschrieben und es reicht nicht, bloß die Worte zu kennen. Ich glaub, man muss noch irgendwas aufmalen und sich mit Zaubertränken und einer Menge anderem gruseligem Zeug auskennen, wenn man so einen Dämon richtig beherrschen will. Ein normaler Mensch will mit so was nichts zu tun haben. Papa hält sich lieber bedeckt und konzentriert sich aufs Buchbinden.« Er seufzte. »Dabei haben alle immer gedacht, meine Familie steckt da mit drin. Als man in Prag die Zauberer entmachtet hat, wurde ein Onkel von meinem Vater von der aufgebrachten Menge durch die Straßen gehetzt und schließlich aus einem Turmfenster geworfen. Er ist auf ein Dach gefallen und gestorben. Kurz darauf ist mein Opa nach England gekommen und hat das Geschäft hier wieder aufgebaut. Hier hat er sich sicherer gefühlt. Ist ja auch egal…« Er setzte sich auf und reckte sich. »Ich glaube jedenfalls nicht, dass die Krähen da drüben Dämonen sind. Dann würden sie wohl kaum die ganze Zeit auf dem Baum rumhocken. Komm schon«– er warf ihr den Schläger zu –, »du bist dran. Jede Wette, dass ich dir gleich den ersten reinpfeffere?!«
Zu Kittys grenzenloser Enttäuschung geschah genau das. Und auch den nächsten und übernächsten. Das »Klonk«, wenn der Kricketball gegen den Trinkbrunnen prallte, hallte durch den ganzen Park und Jakobs schrille Jubelschreie ebenfalls. Schließlich warf Kitty erbost den Schläger weg.
»Das ist unfair!«, schrie sie. »Du hast den Ball irgendwie schwerer gemacht.«
»Naturtalent nennt man so was. Jetzt bin ich wieder dran.«
»Noch ein Mal!«
»Von mir aus.« Jakob warf den Ball absichtlich lasch aus dem Handgelenk. Kitty schwang in wilder Verzweiflung den Schläger und traf zu ihrer eigenen Überraschung den Ball so fest, dass ihr der Stoß bis in den Ellbogen fuhr.
»Juhu! Getroffen! Schnapp ihn dir, wenn du kannst!« Sie hüpfte triumphierend auf der Stelle, denn sie erwartete, dass Jakob losstürmen würde… aber er blieb einfach stehen und blickte mit merkwürdig betretenem Gesicht zum Himmel, auf einen Punkt irgendwo hinter ihrem Kopf.
Kitty drehte sich um. Der Ball, den sie mit so viel Schwung erwischt hatte, zog gelassen seine Bahn, flog über die Mauer und fiel erst dahinter zu Boden, irgendwo auf der Straße.
Dann ertönte das grässliche Geräusch splitternden Glases, das Quietschen bremsender Reifen und ein lautes, metallisches Scheppern.
Stille. Von jenseits der Mauer war ein leises Zischen zu vernehmen, als entwiche Dampf aus einem undichten Kessel.
Kitty sah Jakob an, Jakob sah Kitty an.
Dann rannten sie los.
Sie flitzten quer über den Rasen auf die ferne Brücke zu, jagten mit gesenktem Kopf nebeneinander her, mit rudernden Armen und geballten Fäusten, ohne sich auch nur einmal umzudrehen. Kitty hatte immer noch den schweren Schläger in der Hand. Er behinderte sie beim Laufen und sie warf ihn keuchend weg. Daraufhin stieß
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