Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo
Licht auf. Mir fielen die drei berühmten Afriten ein, die es gewagt hatten, sich Salomo zu widersetzen. War der eine nicht – so erzählte man sich jedenfalls mit gesenkter Stimme an den Lagerfeuern – durch die Laune des Königs und die Macht des Rings in ein Echo in einem Kupferkessel verwandelt worden? Aber welcher?
Die Fühler des Falters bebten. Ich räusperte mich und fragte zaghaft: »Philokretes?«
Die Antwort war kaum hörbar, wie der Flügelschlag einer Eule: Der ich einmal war, ist verloren und vergessen. Ich bin nur noch ein Seufzer, ein flüchtiger Abdruck in der Luft. Wenn du mit den Flügeln schlägst, wirbelst du die Luft auf und verwehst meine letzten Spuren. Du begehrst den Ring?
Aus Höflichkeit schlug der Falter daraufhin nur noch in Zeitlupe mit den Flügeln. Ich antwortete mit Bedacht, denn in der Stimme schwang nicht nur Melancholie mit, sondern auch Bosheit. »Aber nein.«
Ach so. Klug von dir. Ich habe den Ring einst begehrt…
»Ehrlich? Äh… und wie ist es gelaufen?«
Rate mal! Ich bin jetzt ein Echo in einem blöden Kessel.
»Stimmt.«
Die Stimme seufzte abgrundtief. Hätte ich noch einen Fingerhut voll Substanz, raunte sie, ich würde dich auf einen Happs verschlingen, kleiner Dschinn! Aber ach, das ist mir verwehrt. Denn Salomo hat mich bestraft und jetzt bin ich weniger als nichts.
»So ein Pech aber auch«, sagte ich mitfühlend. »Tja, war nett, mit dir zu plaudern, aber draußen scheint die Luft wieder rein zu sein. Ich muss dann mal los…«
Ach, könnte ich diesen Kerker doch ebenfalls verlassen!, raunte es. Dann würde ich Salomo in ewige Finsternis verbannen! O ja, denn ich kenne inzwischen sein Geheimnis. Ich könnte den Ring an mich bringen. Doch mein Wissen kommt zu spät! Mir war nur eine einzige Chance vergönnt, und die habe ich vertan. Nun muss ich bis in alle Ewigkeit hier ausharren, ab schwächliches Säuseln, als kläglicher Seufzer, als…
Ich hatte aufgehorcht. »Du, sag mal«, unterbrach ich ihn, »du würdest mir deinen narrensicheren Ringklau-Trick nicht zufällig verraten? Für mich selbst kommt so etwas zwar nicht infrage, aber vielleicht möchte ja jemand anderes dein elendes Schicksal rächen…«
Was kümmert mich noch Rache? Die Stimme war so leise, dass jeder Flügelschlag des Falters sie übertönte. Ich bin ein jammervolles Flüstern, ein…
»Du könntest einer anderen Wesenheit zu Ruhm verhelfen…«
Der Ruhm anderer kümmert mich genauso wenig. Ich wünsche allen in dieser und der anderen Welt den Tod, allen, die noch Kraft und Leben in sich haben…
»Eine sehr ehrenwerte Einstellung«, erwiderte der Falter knapp und flatterte in Richtung Deckel. »Salomo ist und bleibt eben unbesiegbar. Jeder weiß, dass man ihm den Ring nicht stehlen kann.«
Wie bitte? Glaubst du mir etwa nicht?
»Natürlich nicht. Aber was macht das schon? Du echost hier drinnen einfach weiter vor dich hin. Ich habe aber noch etwas für den König zu erledigen und kann nicht stundenlang Maulaffen feilhalten. Mach’s gut.«
Elender Narr! So schwach die Stimme auch sein mochte, ihr grimmiger Ton ließ meine Flügel erzittern. Ich war nur froh, dass Philokretes aller Macht beraubt war. Wer weiß, was er sonst mit mir angestellt hätte! Du willst in deine Knechtschaft zurückkehren, obwohl du Salomo besiegen und seinen Ring an dich nehmen könntest?
»Als ob du wüsstest, wie das geht«, entgegnete ich verächtlich.
Gewiss weiß ich es!
»Wer sagt das?«
Ich!
»Du, das Echo im Kessel? Du bist ja noch nicht mal heiße Luft.«
Ich war nicht immer in diese Rumpelkammer verbannt! Anfangs bewahrte mich der verfluchte König in seinem Schlafgemach auf und führte mich allen seinen Weibern vor. Ich habe alles mit angehört: die Befehle, die er seinen Dienern gab, vor allem aber seine Unterredungen mit der schreckenerregenden Wesenheit, die in dem Ring haust. Ich kenne Salomos wunden Punkt und weiß, wie er ihn vor der Welt verbirgt! Sage mir, Dschinn, ist es Tag oder Nacht?
»Es ist allerfinsterste, allerschwärzeste Nacht.«
Aha! Bist du dem König womöglich begegnet, als du seine Gemächer durchquert hast?
Ich hielt es für angebracht, mich dumm zu stellen. »Ich habe ihn in seinem Observatorium gesehen. Er hat die Sterne beobachtet.«
Du hast dich von Äußerlichkeiten blenden lassen, Dummkopf! Das war nicht Salomo!
»Wer dann?«
Ein Trugbild, gewirkt vom Diener des Ringes. Eine mittels Magie belebte Lehmfigur. Sie stellt den König dar, während der
Weitere Kostenlose Bücher