Bastard
Logik keine Rolle«, entgegnet Lucy. »Wäre ich die Person, die den Roboter sucht, würde ich mutmaßen, dass du deinen Mann, einen ehemaligen FBI-Agenten, gebeten hast, das Ding bei dir zu Hause zu verstecken. Ich könnte mir alles Mögliche zusammenreimen. Und solange der Flybot nicht aufgespürt ist, lasse ich nicht locker.«
Ich erinnere mich an den Ausruf des Mannes und habe seine Stimme im Ohr. »Was zum …? Hey …!« Vielleicht ist er ja nicht nur wegen des plötzlichen stechenden Schmerzes am Rücken und des starken Druckgefühls in der Brust erschrocken. Etwas könnte ihm ins Gesicht geflogen sein. Er könnte Datenhandschuhe getragen und durch seine spontane Bewegung den Flybot beschädigt haben. Ich stelle mir ein winziges Gerät im Flug vor, das von der schwarz behandschuhten Hand des Mannes getroffen und an seinen Jackenkragen gedrückt wird.
»Wenn jemand die Datenhandschuhe an sich gebracht und noch vor dem Schneefall nach dem Flybot gesucht hat, müsste er ihn doch gefunden haben?«
»Das ist natürlich möglich. Es hängt von einer Reihe von Dingen ab. Zum Beispiel, wie schwer der Roboter beschädigt wurde. Nach dem Sturz des Mannes ist rings um ihn ein ziemliches Chaos ausgebrochen. Falls der Flybot dort auf dem Boden lag, hätte er zertrampelt und vollständig zerstört werden können, so dass er nun nicht mehr reagiert. Vielleicht hängt er auch draußen in einem Baum oder Busch.«
»Ein Roboterinsekt kann bestimmt auch als Waffe eingesetzt werden«, überlege ich. »Da ich keine Ahnung habe, was die inneren Verletzungen des Mannes hervorgerufen hat, muss ich sämtliche Möglichkeiten in Erwägung ziehen.«
»Genau das ist ja das Problem«, erwidert Lucy. »Heutzutage ist fast alles möglich, was du dir vorstellen kannst.«
»Hat Benton dir erklärt, was wir im CT gesehen haben?«
»Ich denke nicht, dass ein mikromechanisches Insekt solche inneren Verletzungen anrichten kann«, antwortet Lucy. »Außer, dem Opfer wurde ein winziger Sprengsatz injiziert.«
Meine Nichte und ihre Phobien. Ihre Fixierung auf Sprengstoffe und ihr ausgeprägtes Misstrauen gegenüber der Regierung.
»Und das will ich nicht hoffen«, fügt sie hinzu. »Falls wirklich ein Flybot im Spiel war, würden wir sonst nämlich von Nanosprengstoffen reden.«
Meine Nichte und ihre Theorien in Sachen Nanothermit. Ich erinnere mich an eine Bemerkung von Jaime Berger bei unserer letzten Begegnung an Thanksgiving, als wir uns alle in ihrem New Yorker Penthouse zum Abendessen trafen. »Die Liebe besiegt nicht alles«, sagte Berger. »Das kann sie gar nicht.« Sie trank zu viel Wein und verbrachte einige Zeit damit, in der Küche mit Lucy über den 11. September, über beim Abriss von Häusern eingesetzte Sprengstoffe und Nanomaterialien zu streiten, mit denen man infrastrukturell wichtige Gebäude anstreichen kann, so dass beim Aufprall eines großen, vollgetankten Flugzeugs eine unglaubliche Verwüstung entsteht.
Ich habe es aufgegeben, mit meiner von Ängsten geplagten und zynischen Nichte zu diskutieren, denn sie ist klüger, als gut für sie ist, und hört anderen Menschen nicht zu. Es interessiert sie nicht, dass es schlicht und ergreifend zu wenig Tatsachen gibt, die ihre Überzeugung untermauern.
Dass nach dem Einsturz der Türme angeblich Rückstände im Staub gefunden worden seien, sind nichts als Gerüchte. Dann, Wochen später, wurde weiterer Staub eingesammelt, der die gleichen Rückstände, das heißt Eisenoxid und Aluminium, enthielt, hochenergetische Nanobestandteile also, die in der Herstellung von Feuerwerkskörpern und Sprengstoffen verwendet werden. Obwohl ich zugeben muss, dass in einigen namhaften Fachzeitschriften Artikel zu diesem Thema erschienen sind, reicht es nicht aus. Außerdem bleiben sie den Beweis schuldig, dass unsere eigene Regierung an der Planung der Anschläge vom 11. September beteiligt war, um einen Vorwand für den Krieg in Nahost zu schaffen.
»Ich weiß, was du von Verschwörungstheorien hältst«, sagt Lucy zu mir. »Das ist der große Unterschied zwischen uns. Ich habe erlebt, was die sogenannten Guten anrichten können.«
Sie ahnt nichts von Südafrika. Andernfalls wäre ihr klar, dass wir uns in dieser Hinsicht nicht unterscheiden. Ich weiß nur allzu gut, wozu die sogenannten Guten fähig sind. Aber nicht der 11. September. So weit würde ich niemals gehen. Ich denke an Jaime Berger und stelle mir vor, wie schwierig es für eine einflussreiche und angesehene Staatsanwältin
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