BattleTech 35: Höhenflug
gehört. Sofort sah sie hinab zum Ursprung dieser Stimme, dieser neuen Bedrohung.
Es war Renard. Sein Gesicht schien leer, ohne jeden Ausdruck, wie das einer Leiche. Das einzige Lebenszeichen lag in seinen Augen, ein kaltes Glitzern wie das einer Messerklinge unter einer Straßenlaterne. In der Hand hielt er eine Waffe - eine riesige, wuchtige Pistole mit einer Mündung wie ein Höhleneingang. Sie war vollkommen ruhig auf den Riesen gerichtet, als wäre sein Arm, sein ganzer Körper aus Wolframstahl. »Laß die Lady runter«, befahl er erneut.
Langsam drehte das Schwergewicht den Kopf und starrte auf Ren hinab. Seine Augen verengten sich zu wütenden Schlitzen. »Zieh Leine, Junge«, brummte er. »Sieh zu, daß du Land gewinnst.« Er hielt Sams Handgelenk noch immer in einem Griff wie eine Hydraulikpresse.
Ren schüttelte ein einziges Mal den Kopf. »Laß sie runter.« Sam sah seinen Daumen sich bewegen, hörte das scharfe, metallische Klicken, als er den Sicherheitshebel der schweren Waffe löste.
Der Griff um ihr Handgelenk lockerte sich ein wenig, und die Schmerzen ließen nach. »Gehört sie zu dir?« fragte der Mann, und seine Stimme troff vor beleidigender Herablassung. »Großer Mann.«
Sam sah Ren die Pistole leicht bewegen. Bis jetzt hatte er auf den Brustkorb ihres Angreifers gezielt. Jetzt zeigte der Lauf der Waffe exakt zwischen dessen Schweinsaugen. »Für dich reicht's.«
Samantha konnte eine Veränderung im Griff des Mannes fühlen. Er war immer noch fest genug, um zu schmerzen, aber etwas von der Sicherheit, der blinden Aggression schien ihn verlassen zu haben. »Groß genug, um den Abzug durchzuziehen?« fragte er.
Und Renard zog die Lippen zurück, in einem grausamen, kalten Lächeln. Ich bin der Tod, schien es zu sagen. »Falls ich es bin, wirst du keine Gelegenheit mehr haben, es zur Kenntnis zu nehmen.«
»Freck!« Der Mann schleuderte Sam beiseite. Sie stolperte, fing sich aber, bevor sie zu Boden gehen konnte. »Da hast du den Köder«, knurrte er. Sam hörte das Zittern der Angst in seiner Stimme. »Wahrscheinlich ist sie die Mühe eh nicht wert.« Damit drehte er sich um und wankte davon, aus der Gasse und außer Sicht.
Rens Pistole folgte ihm, bis er um die Ecke war. Zwei Sekunden stand der junge Mann nur da, hart und unerbittlich. Dann ließ er mit einem Seufzen den Atem entweichen, und die Anspannung verließ seinen Körper. Er blickte auf die Pistole in seiner Hand, als habe er sie noch nie zuvor gesehen. Er brachte die Hand hinter den Rücken und schob die Waffe in den Hosenbund, wo sie unter seiner hüftlangen Weste verborgen war. »Ballast«, schnaufte er.
Dann lächelte er Samantha an. Diesmal war es ein echtes Lächeln, keine Grimasse eines fleischgewordenen Todesengels. »Kommst du?« fragte er sie.
Sam nickte, noch immer benommen. Ich bin noch nie so knapp an einem Mord vorbeigekommen. Als Renard weiterging, hastete sie hinterher.
Er sah sie nicht an, reagierte überhaupt nicht auf ihre Anwesenheit an seiner Seite. Er ging einfach weiter. Sam versuchte, seine Körpersprache zu lesen, und erkannte schließlich ein leises Zittern als die Angst, die er während der Auseinandersetzung so erfolgreich unterdrückt hatte.
»Danke«, sagte sie leise. »Ich stehe schon wieder in deiner Schuld.«
Ren schnaubte nur, als hätten ihre Worte keine Bedeutung für ihn. »Ich hab was gegen Arschlöcher«, erklärte er grob.
Sam nickte und ging ein paar Minuten schweigend neben ihm her. Schließlich konnte sie ihre Neugier nicht mehr unterdrücken. »Hättest du ihn erschossen?« fragte sie leise.
Er blieb stehen und sah sie an. Seine Miene war wieder ausdruckslos.
»Hättest du geschossen?« hakte sie nach.
Plötzlich grinste er. »Nö«, antwortete er lässig. »Is nicht geladen.«
Sie starrte ihn einen Augenblick lang an, dann prustete sie los. »Renard«, stellte sie fest, »dein Stil gefällt mir.«
Und ich hatte auf eine Science-Fiction-Stadt mit riesigen Glastürmen gehofft... schnaubte Sam.
Sie waren jetzt fast eine Viertelstunde unterwegs schätzungsweise eine Meile seit den Schrotthaufen, dachte sie -, und soweit sich ihre Umgebung überhaupt verändert hatte, war sie noch bedrückender geworden. Die Straßen waren schmaler und wurden jetzt ab und zu von Müllbergen fast vollständig blokkiert - verschimmelten Essensresten, vermischt mit Schrott. Wenn ich in fünf Jahren noch mal hier vorbeikomme, werden diese Straßen dann ganz unter Schrotthaufen verschwunden sein? fragte
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