Bauernopfer: Lichthaus' zweiter Fall (German Edition)
Tasse Tee auf und schlenderte durch Mainz, wo er viele Jahre gelebt hatte.
*
Gudrun Jansen stand am Fenster des kleinen Erkers im Wohnzimmer und sah den Polizisten zu, wie sie ihren BMW in eine mickrige Parklücke quetschten. Ein Wunder, dass sie überhaupt fündig geworden waren. Als man ihr Viertel um die vorletzte Jahrhundertwende gebaut hatte, gab es solche Probleme noch nicht.
Linus strampelte auf ihrem Arm und versuchte nach der Gardine zu greifen, damit er auch sehen konnte, was seine Mutter so interessierte. Sie trat ein Stück zur Seite, und er hatte freies Blickfeld. Die zwei Beamten kamen zum Haus herüber und musterten den Gründerzeitbau anerkennend. Ihre Blicke glichen denen aller Besucher, die das wunderschön sanierte Gebäude betrachteten. Die imposante Fassade in klassischem Stil, der kleine Vorgarten mit Rasen und Rosensträuchern, davor ein Zaun mit Spitzen. Die beiden bildeten ein ungleiches Paar. Der eine schmächtig, das Haar wie der Teint dunkel, er war zweifelsohne ein Ausländer, sie tippte auf einen Türken. Der andere, ganz offensichtlich der Chef, war ein Durchschnittstyp. Mittelgroß, mittelblond, sah durchschnittlich bis gut aus. Schwer einzuschätzen.
Der Anruf heute gleich am Morgen hatte sie überrascht. Nicht, dass er kam, sondern wie schnell. Die Nachricht von Kaisers Tod war am gestrigen Abend bei ihr angekommen. Den Sonntag über war sie mit David und Linus zu einem Ausflug im Taunus gewesen, nachdem sich endlich die Sonne wieder gezeigt hatte. Die erste Reaktion war ein kurzer Schock, dann hatte sie versucht Egbert noch einmal zu spüren, seine Haut, seinen Geruch, das Gefühl, wenn er mit ihr geschlafen hatte. Aber es ging nicht mehr. Ausgelöscht und ersetzt von David, und das war gut so.
Nach dem Jurastudium hatte sie sich im Wirtschaftsministerium beworben, bis zum Scheitel voll Ehrgeiz. Egbert Kaiser war bei ihrem Bewerbungsgespräch zugegen gewesen. Ein attraktiver Typ, hervorragend gekleidet und bis aufs letzte Haar perfekt gepflegt. Die Blicke, mit denen er sie aufgefressen und ihren Körper unter dem weich fallenden Stoff des Kostüms taxiert hatte, hatten ihr damals geschmeichelt, und sie war durch das kleine Zimmer ihrer Studentenbude getanzt, als sie die Zusage bekommen hatte, seine Referentin zu werden.
Es klingelte und Linus strampelte sich von ihrem Arm, um in den Flur zu laufen. Mit ausgestrecktem Finger rief er: »Da, da.«
David hatte das ganze Haus saniert, sie die einhundertsechzig Quadratmeter, die sie sich gönnten, eingerichtet. Eine Mischung aus alten und modernen Möbeln, die gut zu den hohen Räumen mit Stuckdecken passten.
Die Polizisten kamen die wenigen Stufen herauf, während ihr Sohn schon auf dem Absatz wartete.
»Hallo, bist du der Hausherr?«
Der größere der beiden hielt ihm die Hand hin, woraufhin Linus hineinflitzte und sich hinter ihr versteckte. Der Mann lachte und stellte sich als Johannes Lichthaus vor, er habe eine Tochter im gleichen Alter. Nett und ungezwungen, doch hellwache Augen, denen kaum etwas entging. Sie mahnte sich zur Vorsicht und übernahm die Initiative. »Sie kommen wegen Egbert.«
»Ja. Der aktuelle Referent von Doktor Kaiser hat uns an Sie verwiesen.«
»Molitor, dieser Schleimscheißer.«
»Genau dieser«, bestätigte Siran und ließ am Tonfall erkennen, dass er nicht nur den Namen bestätigen wollte.
Sie setzten sich ins Esszimmer und Lichthaus begann: »Wie lange sind Sie seine Referentin gewesen?«
»Knapp drei Jahre.«
»In dieser Zeit sollen Sie sehr eng mit Ihrem Chef zusammengearbeitet haben und Gerüchten zufolge auch intim miteinander gewesen sein.«
Der macht keine Umwege, schoss es ihr durch den Kopf. »Zweimal ja. Die Referentenstelle war meine erste Anstellung im Ministerium. Ich war damals ungebunden, und man arbeitet eng zusammen, da lässt es sich nicht vermeiden, dass man sich näherkommt, wenn die Chemie stimmt.«
»Und zwischen Ihnen und Kaiser hat sie gestimmt?«
Sie nickte. »Anfangs ja.« Egbert hatte sie stark eingespannt, aber auch ungemein hofiert. Er war immerwährend nett, sah ihr die kleinen Anfängerfehler nach und schleppte sie zunehmend mit zu Außenterminen. Heute wusste sie, dass sein ganzes Vorgehen Methode hatte. Schon bald standen hier und da Übernachtungen an, und eines Abends ging sie mit ihm ins Bett. Freiwillig, einfach so. Die Affäre dauerte gut ein Jahr, dann hatte er sie über und ließ sie genauso fallen wie seine freundliche Maske. Es war nicht ihre
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