Bd. 3 - Der dunkle Stern
seiner Gastgeber stand und sich einen Drink einschenkte.
»Wer sind Sie denn?«, wollte Hansie wissen.
»Jemand, der etwas durstig ist.« Der Mann von schlankem, fast dürrem Körperbau, mittelgroß, mit militärischem Haarschnitt, drehte sich zu ihm um. »Kann ich Ihnen auch etwas einschenken, Hansie?«
»Ich … kennen wir uns?«
»Klingt nach einem Ja.« Der Fremde füllte ein zweites Glas mit Likör, durchquerte das Apartment und reichte es ihm. »Ich bin ein Freund«, sagte er und fügte an: »Ich würde sagen, ich bin gerade noch rechtzeitig hergekommen.«
»Wie meinen Sie das?«
Der Fremde ging an ihm vorbei bis zu den Glastüren, wo er anscheinend einen Moment lang in Gedanken auf die vom Mond beschienenen Wellen des Ozeans tief unter ihm schaute. »Allen Ernstes, Hansie. Ein Sprung auf den Weg da unten wäre wirklich keine schöne Sache.«
Hansie wäre beinahe das Glas aus den Fingern gerutscht. Er riss sich zusammen und trank stattdessen einen Schluck.
»Es gibt keinen Grund, so etwas zu tun. Heute ist nämlich Ihr Glückstag.« Der Fremde nahm einen tiefen Schluck aus seinem Glas und stellte es auf dem Kaminsims ab. Aus der Tasche seines Blazers zog er eine kleine Schachtel, die vielleicht fünfmal zehn Zentimeter groß war, und platzierte sie auf einem Beistelltisch neben dem Sessel.
Hansies Blick wanderte zwischen dem Fremden und der Schachtel hin und her.
»Nur zu«, sagte der andere. »Öffnen Sie sie.«
Er stellte sein Glas ebenfalls ab, nahm die Schachtel und öffnete sie, als erwarte er, eine Giftschlange könnte ihn anspringen. Darin befanden sich zwei kleine Ampullen und eine Spritze. In einer Ampulle sah er einen undefinierbaren fahlen Tropfen in einer klaren Lösung, auf dem Deckel befand sich das Symbol für Weiblichkeit, in der anderen war nur die klare Lösung. Der Deckel zeigte einen Kreis mit einem schräg nach oben führenden Pfeil – das männliche Gegenstück zum ersten Symbol.
Es war recht offensichtlich, was der Fremde wollte.
»Warum ich?«
»Warum nicht?«
»Wer ist …?« Hansie tippte mit seinem makellos manikürten Finger auf die gefüllte Ampulle.
»Ist das wichtig?«
»Warum sollte es nicht wichtig sein? Natürlich ist es wichtig! Sie wollen mein genetisches Material. Ich kann nur annehmen, dass Sie vorhaben …«
»Richtig«, unterbrach ihn der Fremde. »Und Sie werden mir dabei behilflich sein. Ehrlich gesagt, die Identität der anderen Person sollte Ihnen egal sein.«
»Und warum sollte ich dazu bereit sein?«
Der Fremde nannte einen Geldbetrag. »Dafür müssen Sie nur die Spritze benutzen und anschließend diese kleine Schachtel zu einem Labor bringen und dort abgeben. Um die Kosten müssen Sie sich keine Gedanken machen, um Ihre Nachkommenschaft ebenso wenig. Es sei denn, es interessiert sie. Ich weiß, Sie haben keine leiblichen Kinder. Vielleicht würde Ihnen ja nach so langer Zeit ein Sohn gefallen.«
»Oder eine Tochter«, entgegnete Hansie.
»Ein Sohn«, wiederholte der Fremde. Seine Miene, die bis zu diesem Moment immer ein fast ironisches Lächeln gezeigt hatte, war jetzt wie versteinert.
»So großzügig Ihr Angebot auch sein mag, aber ich … ich bin es nicht gewohnt, mich auf diese Art zu verkaufen. Ein wenig Würde besitze ich immer noch.«
»Verstehe.« Der Fremde ging zurück zum Kamin und nahm einen Schluck aus seinem Glas. »Nun, es gibt immer noch Alternativen.« Nach kurzer Pause sagte er: »Sumer.« Die Glastüren glitten lautlos zur Seite, da sie auf das Passwort der Sprachaktivierung reagiert hatten. Eine sanfte nächtliche Brise wehte ins Zimmer und trug den Geruch von Blumen mit sich.
Hansie spürte, wie sich sein Magen umdrehte. Der Fremde hatte seine Stimme perfekt imitiert, als er das Passwort aussprach. Nur Natan, Aliya und er selbst waren registriert, um im Apartment Sprachbefehle zu geben, vielleicht auch noch Amir, der inzwischen verstorbene Neffe der beiden.
»Nur zu«, sagte der Fremde ruhig. »Das ist nur eine kleine Erledigung, aber der Lohn dafür ist beträchtlich. Wenn Sie natürlich lieber die Alternative in Erwägung ziehen …« Mit ein paar Schritten war er bei Hansie und nahm ihm die Schachtel aus der Hand.
Sofort nahm Hansie sie ihm wieder ab. »Nein, warten Sie! So ist es nicht. Es ist nur …«
»Was ist es denn nur?«
»Es … es geht nicht um das Geld.«
»Aha«, machte der Fremde und verschränkte die Arme vor der Brust. »Worum geht es Ihnen?«
»Ich … ich habe versucht, einen Posten im
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