Beautiful Americans - 01 - Paris wir kommen
Thomas wieder bei sich zu Hause zu haben, und sei es auch nur jeweils für ein paar Stunden. Statt mittags auswärts essen zu gehen und mit ihren High- Society-Freundinnen zu shoppen, lädt sie dauernd Leute zum Tee oder zu Cocktailpartys ein, damit die ihren genialen Sohn bewundern. Bis auf ein paar unbeholfene Fragen nach meinem Fuß kümmern sich Mme. Rouilles elegante Freunde nicht um mich.
Mittwochnachmittag sitzen wir in behaglicher Stille in der großen altmodischen Küche, er liest ein Medizinlehrbuch am massiven Holztisch und ich trinke einen meiner Karotten-Smoothies auf einem Hocker in der Frühstücksecke, während mein linkes Bein - das gesunde - unruhig zuckt. Auch wenn es noch einen Monat hin ist, schiebe ich totale Panik, wie schlecht ich auf den Final Comp vorbereitet bin. Beim Final Comp gibt es Fragen zu all unseren Fächern. Und den Ehemaligen des Programms zufolge, die mich wegen meiner Lycee-Bewerbung befragt haben, wird es das Härteste, was ich in meinen ganzen sechzehn Jahren jemals in Angriff genommen habe.
»Ich schreibe für mein Leben gern«, offenbart mir Thomas plötzlich aus dem Nichts heraus.
Fragend schaue ich ihn an. »C'est bon«, sage ich etwas zögernd. »Das ist ja toll.«
»Ich habe immer und überall mein Notizbuch dabei«, sagt er und hebt es hoch, damit ich es sehen kann. »Ganz egal, wo ich hingehe, den ganzen Tag über gibt es immer etwas, was ich aufschreiben möchte. Der Gesichtsausdruck der Kassiererin auf dem Fischmarkt - der Chor, der unten in der Saint-Germain-des-Pres probt - die Art, wie es sich anfühlt, im tiefsten Winter an der Seine entlangzuspazieren. Nicht mehr schreiben zu können - das wäre die Hölle für mich. So muss es für dich ... muss es für dich ohne das Tanzen sein, non?«
Ich starre Thomas an.
Kein einziges Mal in den letzten zwei Jahren mit Vince konnte er jemals so kurz und knapp zusammenfassen, was ich für das Tanzen empfinde, so wie Thomas es eben getan hat.
»Olivia!«, ruft mich Mme. Rouilles Hausangestellte Elisa aus der Eingangsdiele. »Alex ist da und möchte dich sehen!«
Während mir noch immer im Kopf herumgeht, was Thomas gerade gesagt hat, rufe ich zu Alex hinaus, dass wir in der Küche sind.
»Hey«, sagt sie und küsst mich auf beide Wangen. »Ich liebe Elises Outfit, echt.«
Elise trägt immer diese typisch schwarz-weiße Tracht eines französischen Dienstmädchens. Am Anfang konnte ich mich deswegen auch nicht mehr einkriegen.
»Aber halloooooo«, sagt Alex gedehnt, als sie Thomas entdeckt. »Du musst der geheimnisvolle Junge sein, den Olivia vor mehreren Wochen mal aus Versehen besprungen hat. Schön, dich endlich mal leibhaftig kennenzulernen. Dein Ruf für wilde Nächte eilt dir voraus.«
»Oh, Alex«, sage ich ungeduldig. »Setz dich. Magst du einen Tee?« Ich greife zu den dunklen Mahagoniefächern über dem Waschbecken, um eine saubere Tasse und eine Untertasse runterzuholen.
»Wenn nur das im Angebot ist«, sagt Alex scherzend. Kaugummi kauend beugt sie sich über die Granittheke und starrt Thomas ganz offen an. »Auch wenn ich mehr Lust auf einen verruchten Martini hätte.« Alex wickelt sich ihren überdimensional großen Schal vom Hals. »Hör mal, ich bin hergekommen, um dir zu sagen, dass PJ am Wochenende eine Party gibt.«
»PJ gibt eine Party?«, frage ich ungläubig. »Du nimmst mich doch auf den Arm.«
»Ich schwöre auf meinen Hermes«, sagt Alex und berührt in gespielter Verehrung kurz ihren Schal. Das ist eine Ehrenbezeugung an ihre Heldin, die einzigartige Carrie Bradshaw. Sie schaut Thomas an. »So, und du bist also ... ?«
»Je m'appelle Thomas«, antwortet Thomas mit einem amüsierten Lächeln.
»Na dann, Thomas«, sagt Alex mit einem unwiderstehlichen Strahlen. »Hoffentlich bis Samstagabend. Hör mal, vergiss den Tee. Ich kann nicht bleiben. In zehn Minuten treffe ich Zack in der Galeries Lafayette. Wir wollen uns was Neues für die Party aussuchen. Au revoir, ihr zwei Süßen!«
Als Alex auf dem Weg zur Tür die Eingangsdiele durchquert, knabbern die Zwergpudel an ihren Fersen.
»Tschau, Wau-waus!« Als Reaktion bellen die Pudel.
Ich höre, wie Elise Alex die Tür aufhält. Da sie anscheinend zu ungeduldig ist, um auf den Aufzug zu warten, hallt das Geklacker ihrer hochhackigen Chloe-Stiefel die marmorne Wendeltreppe hinunter bis zur Eingangshalle des Gebäudes.
»Olivia, hättest du was dagegen, wenn ich euch beide zur Party begleite? Ich würde gern deine Freunde
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