Beautiful Americans - 01 - Paris wir kommen
kennenlernen«, sagt Thomas vorsichtig. Ich blicke erst aus dem Küchenfenster, dann wieder auf ihn. Dass er mitgehen, sich aber eigentlich nicht einmischen oder aufdrängen will, rührt mich. Was Vince wohl davon halten würde, dass Thomas mit zur Party kommt? Aber schließlich ist es ja nicht so, dass ich ihn eingeladen hätte.
»Ja klar«, entgegne ich, weil ich ihn nicht verletzen will. »Natürlich. Aber es sind bloß Leute aus der High School da. Unmengen von Amerikanern. Bist du dir wirklich ganz sicher, dass du mitkommen willst?«
»Bien sür! Natürlich!«, bekräftigt Thomas. »Klingt so, als könnte es lustig werden.«
Es klingt tatsächlich so, als könnte es lustig werden. Ach, wenn doch Vince dabei sein könnte! Den Schulalltag und den Ballettunterricht ohne Vince zu überstehen, fällt mir nicht wirklich schwer, aber wenn ich mal was mit Freunden unternehme, fehlt er mir sehr. Vince ist auf Partys so witzig und immer mittendrin im Geschehen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, als ich in der neunten Klasse seine Freundin geworden bin, wie stolz und glücklich ich war, dass mein Freund so bekannt und beliebt ist. Er lässt mich auch nie links liegen, wenn wir zusammen ausgehen, außerdem versucht er nie, mich dazu zu überreden, Alkohol zu trinken. Um elf hat er mich immer heimgefahren und ist dann noch kurz mit reingekommen, um meine Eltern zu begrüßen. Als ich so an ihn denke, wie er immer ums Auto herumgelaufen ist, um mir die Beifahrertür aufzumachen und mir beim Aussteigen zu helfen, wie er dann Händchen haltend mit mir den Fußweg zu unserem Haus entlanggegangen ist, und wie sicher und geborgen ich mich bei ihm gefühlt habe, überkommt mich große Sehnsucht und Traurigkeit.
Nach dem Abendessen begleite ich Thomas zur Villiers- Metro-Station, weil ich vor dem Zubettgehen gern noch Vince anrufen möchte.
Auf dem Weg kommen wir am Lycee vorbei, auf dem Thomas anscheinend auch mal war, wie er mir erzählt. »Lass dich von ihnen nicht täuschen«, sagt er über die französischen Schüler. Ich habe mich ein bisschen bei ihm darüber beklagt, dass sie uns immer ignorieren und uns das Gefühl geben, Vollidioten zu sein. »Wir waren immer fasziniert von les Americains. Die werden schon noch auftauen.«
Hinter dem Parc Monceau wird das 17. Arrondissement, in Clichy, ein bisschen schäbiger. Hier geht es viel lebendiger zu als in Ternes, der Boulevard ist zu jeder Tages- und Nachtzeit belebt und voller Menschen. Als wir uns trennen, bekomme ich einen kleinen Schreck, als in einer Bar laute Jubelschreie ertönen. Die Menge ist begeistert von einem Fußballspiel, das gerade im Fernsehen läuft.
»Olivia«, ruft Thomas mir noch zu, bevor er die Treppe zur Metro hinuntergeht. »Qa va bien?«
»Oui, bien«, versichere ich ihm. Ja, mir geht es gut.
Ganz kurz huscht ein spitzbübisches Lächeln über sein Gesicht, ehe er in der U-Bahn verschwindet.
Ich bleibe kurz stehen, dann drehe ich mich umständlich mit meinen Krücken um und gehe zurück, wobei ich nach einem öffentlichen Telefon Ausschau halte. Noch immer kommt es mir komisch vor, Vince von Mme. Rouilles Telefon aus anzurufen.
Ich finde eines in der Nähe der Bar mit den Fußball-Fans.
Als Vince rangeht, kann ich ihn nur mit Mühe und Not über den Lärm aus der Bar hinweg verstehen.
»Bitte?«, frage ich und wende mich von der Bar ab zur Straße hin. »Kannst du das noch mal wiederholen?«
»Ich hab gefragt, wie es dir geht«, sagt Vince.
»Gut. Ich habe gerade erfahren, dass PJ am Wochenende eine Party gibt. Ist das nicht unglaublich?«
»Wer ist PJ?«, fragt Vince. »Ist das ein Typ?«
»Nein, Vince«, sage ich. Es nervt mich ein bisschen, dass er das vergessen hat. »PJ ist meine Freundin, weißt du nicht mehr? Die, von der ich dir erzählt habe, weil sie eine Zeit lang bei mir gewohnt hat?«
»Ach, das Hippiemädchen?«, fragt Vince. »Das ist cool. Wirst du was trinken?«
»Nein, Vince«, fahre ich ihn an. »Ich darf mich im Moment nicht betrinken. Mein Körper muss sich noch von dem Unfall im Kino erholen.«
Genau wie Mme. Rouille habe ich auch Vince erzählt, ich wäre beim Kinobesuch mit Zack gestolpert. Aus irgendeinem Grund dachte ich, er würde es sicher nicht allzu positiv aufnehmen, wenn er hörte, dass ich auf den Tischen getanzt habe. Und dann habe ich natürlich gleich hintergeschoben, dass Zack schwul ist, damit er sich keine Sorgen macht, warum ich mit einem anderen Typen ins Kino gehe. Dabei hat mir Zack
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