Beautiful Americans - 01 - Paris wir kommen
»Wahrscheinlich hat George einfach gedacht, dass jemand wie du, der so dünn ist, seine Kaloriensünden verachten würde«, überlege ich laut. »Und Alex - macht das nicht sogar genau Georges Reiz aus, dass er eben wegen Godard und so weiter nicht ausflippt? Würdest du ihn nicht weniger mögen, wenn er sich nach der Nouvelle Vague verzehren würde?«
Wir hetzen an modischen Französinnen vorbei, an Verkäufern, die Touristen bescheuerte Souvenirs verkaufen, und an den ersten Weihnachtskäufern, die die kitschige Glitzerware durchsehen. Na ja, wenn man als Land nicht Thanks- giving feiert, kann man wohl auch nicht wissen, dass Weihnachtsdeko in der ersten Novemberwoche einfach geschmacklos ist.
»Du hast recht«, ruft mir Alex fröhlich im Weitereilen zu. »Echt total recht!« Sie fröstelt in ihrer leichten Marc-Jacobs- Militärjacke und der dünnen Jeans. »Okay«, sagt sie entschlossen, als wir das Kaufhaus betreten und die Menge anschauen, als wären wir Torreros, die in die Arena kommen. »Lass uns mal kurz bei den Jacken und Mänteln vorbeigehen, bevor wir ins Maxim's hochfahren. Ich brauche dringend noch was für den Winter, ehe ich mich zu Tode friere.«
Die Galeries Lafayette ist ein riesiges Kaufhaus, viel größer und edler als alles in Memphis. Alex lässt sich sogar dazu hinreißen, zu sagen, dass es besser sei als alle Geschäfte in New York. Von außen sieht die Galeries Lafayette aus wie ein Palast oder Museum, wenn man mal von den grellen Lichtem und der Werbung an der gemeißelten Fassade absieht. Drinnen ragen viele Boutiquen - Chanel, Gucci, Louis Vuit- ton - zur hohen Decke hinauf, einer großen runden, kathedralenähnlichen Glaskuppel. Alex flachst rum, dass sie hier sogar leben könnte, mit den ganzen Restaurants, dem Schönheitssalon und Spa, dem Reisebüro und allen anderen Serviceleistungen und Diensten, die den Kunden angeboten werden. Ich erwidere scherzend, dass sie ja praktisch schon hier wohnt - sie schlendert so oft hier durch, dass man das getrost behaupten kann.
»Der einzige Ort, der das übertrifft, ist nur Harrods«, erklärte mir Alex bei unserem ersten Ausflug hierher mit Nachdruck. Natürlich habe ich ihr lieber nicht erzählt, dass ich »Harrods« googeln musste, um herauszufinden, dass sich das Kaufhaus in London befindet.
»Ehrlich«, sagt Alex, als sie sich gerade eine kleine dunkelrote Reisetasche von Longchamp mit dazu passendem Schminkbeutel ansieht. »Wegen George und mir mache ich mir gar keine Sorgen. Es entwickelt sich toll zwischen uns. Wir lassen es langsam angehen, um uns erst mal kennenzulernen. Außerdem hatte ich wegen der Geburtstagsfeier, die ich im LAtelier plane, auch kaum Zeit, mir große Gedanken wegen George zu machen. Möchtest du das haben?«, fragt sie plötzlich und zeigt auf die glatte schwarze Lederhülle für Pässe, die ich auf der Theke befingere.
»Natürlich! Die ist super!«, sage ich mit einem Lachen. »Aber sie kostet achtzig Euro.«
»Na und, was sind schon achtzig Euro? Du hast einen harten Tag hinter dir.« Alex tut den Betrag mit einem Schulterzucken ab und nimmt mir die Lederhülle aus der Hand. »Hey, gefällt dir das?«
Alex hält eine lange Strickjacke mit kleinem Kragen und Lederknöpfen hoch. Die perfekte Kombi zu Jeans und Stiefeln, im Gisele-Stil, um in der Stadt rumzulaufen, wenn man was besorgen muss und trotzdem gut angezogen sein will. Alex dreht die Jacke um, sodass wir sie von hinten sehen. Sie hat opahafte Ellbogenschoner aus Wildleder.
»Oh mein Gott!«, kreischt Alex. »Die sieht ja genauso aus wie die von PJ. Fort mit ihr - aus meinen Augen!« Sie wirft sie ins Regal zurück, als würde sie von Läusen wimmeln.
»Ach was«, sage ich. »Die Jacke ist doch süß. Du bist nur sauer, weil PJ den Trend gesetzt hat und nicht du.« Alle Mädchen im Lycee tragen in letzter Zeit lange, übergroße Opa- Strickjacken, genau wie die, in die sich PJ immer einwickelt. Mit Ellbogenschonern ist man zurzeit on top der Raffinesse.
Wir haben es noch kaum übers Erdgeschoss hinaus geschafft, da hat mir Alex schon die Longchamp-Passhülle gekauft, einen glitzernden neuen Camogürtel und eine sehr teure Haarcreme für meinen kunstvollen Strubbel-Look. Und das sind nur die Sachen für mich! Alex kauft sich das komplette Set Longchamp-Taschen (das sie, wie sie sagt, ganz dringend für die Klassenfahrt später im Jahr braucht), einen schwarzen Kaschmirschal mitsamt Mütze und Fäustlingen und mehrere Gesichtskosmetika vom
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