Beautiful Americans - 02 - Kopfüber in die Liebe
aufgeht, gebe ich die große blaugrün gestrichene Mistkarre bei Eurauto im Erdgeschoss vom Gare Montparnasse ab. Dann fahre ich auf direktem Weg zum Gare du Nord. Vor Müdigkeit bin ich halb im Delirium. Verschwommen ziehen in der Metro die Stationen im Pariser Zentrum nur so an mir vorbei. Unfassbar, dass ich über eine Woche weg gewesen bin!
Und wofür? Nur damit ich mich vor Jay noch mehr zum Idioten gemacht habe. Und um Alex' verrückten Ideen nachzugeben. Und PJ haben wir natürlich auch nicht gefunden.
Das ist eigentlich das Schlimmste. Dass PJ noch immer irgendwo da draußen ist. Und Jay wird nicht rasten und nicht ruhen, bis er sie gefunden hat, das steht fest.
Ist es fies von mir, wenn ich sage, dass ich immer schon das Gefühl hatte, dass etwas Derartiges einmal passieren würde? Ja, schon klar, schon klar.
Sie hat sich nie richtig eingefügt, diese Penelope Jane Fletcher. Dabei hatte sie, als sie nach Paris kam, eine hervorragende Ausgangsposition: Sie sieht absolut umwerfend aus, ja, sie gehört zu den Mädchen, die man aus einer Masse von Menschen als Einzige herausgreift, damit sie in Modesendungen für eine Million Dollar pro Tag mitwirkt. Dazu ist sie noch verdammt klug - sie kann wahrscheinlich das beste Französisch im ganzen »Programme Américain«, sogar einschließlich der amerikanischen Schüler mit französischen Eltern. Und ihr Talent hat alle umgehauen: Ihre Bilder könnten locker in den erlauchten Räumen des Louvre hängen.
Aber sie ist auch ein seltsames Mädchen, diese PJ. Manchmal quasselt sie total viel und dann ist sie wieder so still, dass man sich schon fragt, was für üblen Gedanken sie wohl gerade nachhängt, ohne es einem zu sagen. Und sie ist unglaublich rastlos: Immer ist sie in Bewegung, fummelt an ihrer Kleidung oder ihren Haaren herum, lässt die Knöchel knacken. Dadurch hat man einfach ständig das Gefühl, sie würde sich nicht wohlfühlen. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich glatt denken, sie käme aus einem Junkie-Haushalt in einem Elendsviertel in Memphis und braucht dringend Stoff.
Ach, PJ ist schon in Ordnung. Ich habe echt nichts gegen sie, um das mal klarzustellen, aber irgendwie hat sie es schon als ziemlich selbstverständlich angesehen, dass alle mit ihr befreundet sein wollen. Vor allem Jay.
Und egal, was ihr an Paris zu viel war, wenn man Jay verlässt, ist man in meinen Augen echt ein Idiot. Ein nichtsnutziger, unverbesserlicher Idiot.
Nicht dass ich da voreingenommen wäre.
Als ich auf den Fahrplan für die Züge von Paris Nord nach Amsterdam schaue, grinse ich so breit wie ein Honigkuchenpferd. Gleich im ersten Zug nach Amsterdam gibt es noch freie Plätze, und tja, was soll man sagen, er ist gerade bereit zum Einsteigen.
Sweet Jesus, would you look at me! Ich wette, keiner von denen, die an diesem Sonntag in der Christ's Message Baptist Church im kleinen, ollen Germantown in Tennessee in die Hände klatschen und Gott lobpreisen, würden mich im Moment erkennen, wie ich klammheimlich, fast ganovenmäßig, zum europäischen Sündenpfuhl fahre. In welche Schwierigkeiten kann ich mich in Amsterdam wohl bringen?
Nein, umgekehrt, sage ich zu mir selbst. Liebe Mamas: Ihr versteckt besser eure Söhne!
Als der Zug in den Bahnhof von Amsterdam einfährt, blicke ich unwillkürlich neugierig aus dem Fenster, wie ein kleiner Hund, der von einem Lieferwagen herunterschaut. Ich sehe Pierson, bevor er mich sieht: Er grinst wie ein Irrer. Seine Haare trägt er zurückgekämmt unter einer Mütze, genau wie die heißen Europäer, die er zu meiner Begrüßung mitgebracht hat. Sie könnten glatt einer Calvin-Klein-Werbung entsprungen sein: saubere, frische Hemden und steife Jeans und jeder von ihnen ist mit einer dunklen Sonnenbrille und einer trendigen Bahnarbeiter-Mütze aufgestylt.
»Ist das etwa eine Mottoparty?«, rufe ich, als ich aus dem Zug steige. Ich ziehe Pierson die Mütze vom Kopf und setze sie mir fröhlich selbst auf. »Bonjour, bonjour, mon ami!« Ich küsse ihn überschwänglich auf beide Wangen. Dann umarme ich ihn fest. Oh Gott, ist es schön, ihn zu sehen! Vier Monate ist es her!
»Na, was für ein freudiger Anblick, Bruder!«, sagt Pierson, der ebenso glücklich ist, mich zu sehen. Pierson nennt alle gern »Bruder« - genau wie die Älteren in unserer Kirche. »Verdammt, du siehst echt gut aus.«
»Ach was, das sagst du doch nur so.« Ich verdrehe die Augen. Ich sehe nämlich aus wie einer, der die ganze Nacht im Auto
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