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Beautiful Losers

Beautiful Losers

Titel: Beautiful Losers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonard Cohen
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dauert die Reise schon, das ist beinahe ein Vierteljahrhundert. Und die Brüste noch nicht ganz erwachsen. Aber sie haben es schon weit gebracht, diese Brüste, die ganz leicht an meine Schulter streifen, während ich mein Lineal schwenke, um irgendwelche Vorstellungen von geistiger Gesundheit zu bedienen. Sie sind noch sehr jung, noch gerade eben sehr jung, doch sie zischen schon heftig und verströmen einen Duft aus Alkohol und Sandelholz, dass mir die Sinne schwinden. Ihre Miene, ihre frisch gewaschene Kran kenschwestermiene, verrät nichts, alles ist ausgelöscht, auch ihre Herkunft. Ihr Gesicht ist eine Leinwand, auf die wir unsere Pornofantasien projizieren, während wir immer tiefer in die Krankheit sinken. Es ist ein Sphinxgesicht, doch voller Mitleid, auf das wir unsere rätselhaften Sätze tropfen lassen. Die runden Brüste krallen und kratzen am gestärkten Stoff wie Pfoten im Sand. Kommt dir das irgendwie bekannt vor? Genau. Auch Edith hat dieses Gesicht oft getragen, sie war die perfekte Krankenschwester für uns.
    – Das sind hübsche Linien, die Sie da gezogen haben.
    – Ja, sie gefallen mir auch.
    Zischel, zischel, lauft um euer Leben, die Bomben liegen im Sterben.
    – Hätten Sie gern ein paar Buntstifte?
    – Aber nur, wenn sie nicht unsere Radiergummis heiraten.
    Man muss schlagfertig sein, schhh, schhh, verstehst du jetzt, warum wir den Wald schalldicht gemacht haben, warum wir um die Manege der Wildnis Holzbänke aufgestellt haben? Weil wir es zischen hören möchten, weil wir den engen Uniformstoff knistern hören wollen, wenn die Brüste drängen, weil wir den Tod unserer Welten nicht verpassen wollen. Merk dir das, und vergiss es. Es verdient wohl einen Schaltkreis, aber einen winzigen nur im Gehirn. Nun sollst du gleich auch wissen, dass ich mich von all diesen Kategorien ab sofort ausnehme.
    Spiel mit mir, alter Freund.
    Nimm meine Geisterhand. Du wurdest in die Luft unseres Planeten getaucht, du wurdest mit Feuer getauft, mit Scheiße, Geschichte, Liebe, Verlust. Merk dir das, daraus ergibt sich die Goldene Regel.
    Schau mich an, in diesem Augenblick meiner denkwürdigen kleinen Geschichte, die Krankenschwester beugt sich über meine Arbeit, mein Schwanz ist faulig und schwarz, du hast ja gesehen, wie mein weltlicher Schwanz verrottet ist, jetzt siehst du meinen visionären Schwanz, verhülle dein Haupt und sieh meinen visionären Schwanz, der mir nicht gehört und nie gehört hat, der mich besessen hat, der war, was ich war, der mich getragen hat, wie ein Besen die Hexe trägt, von einer Welt zur nächsten, von Himmel zu Himmel. Vergiss das wieder.
    Wie viele andere Lehrer auch war ich manchmal erleichtert, wenn ich etwas weggegeben und weitergereicht habe. Ich konnte die Last nicht mehr tragen. Ich spüre, dass meine Rumpelkammer bald ausgeräumt ist. Ich werde dann nur noch Geschichten zu verteilen haben, sonst nichts. Vielleicht gelingt es mir, einige Gerüchte in Umlauf zu bringen und so mein Weltgebet zu beenden.
    Edith hat für Sexorgien geworben und mit Narkotika gehandelt. Einmal hatte sie Läuse, zweimal sogar Filzläuse. Ich habe Filzläuse so klein geschrieben wie möglich, schließlich hat alles seinen Ort und seine Zeit, und ganz nah hinter mir steht eine junge Krankenschwester, die sich fragt, ob sie von meiner Macht angezogen wird oder von ihrer Wohltätigkeit. Ich tue, als würden mich die therapeutischen Übungen ganz in Anspruch nehmen, sie tut, als würde sie ihrer Aufsichtspflicht nachkommen, aber schhh, zisch, der Laut von entweichendem Dampf, der, vermischt mit Sonnenlicht, den Leidenden, den Ärzten, Krankenschwestern und Freiwilligen einen regenbogenfarbigen Heiligenschein um die geneigten Häupter legt. Schau dir diese Krankenschwester bei Gelegenheit mal an. Sie wird neunundzwanzig sein, wenn meine Anwälte dich ausfindig gemacht haben, um mein materielles Vermächtnis abzuschließen.
    Am Ende eines grün gestrichenen Flurs befindet sich eine Kammer, in der Mary Voolnd aus Nova Scotia zwischen Eimern und Wischmops und antiseptischen Aufnehmern ihre weißen Strümpfe abrollen wird, um einem alten Mann ihre befreiten Knie darzubieten. Wir werden keine Spuren hinterlassen, nur die falschen Ohren, mit denen wir die Schritte eines herannahenden Wärters hören.
    Dampf steigt vom Planeten auf, samtig-weiche Wolken, während die Gesamtheit der Jungen und Mädchen bei religiösen Unruhen aufeinanderprallen, heiß und pfeifend wie ein Friedhofssodomit hat unser kleiner

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